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Kriminaltechniker durchsuchen am Freitag eine Gartenlaube in einer Kleingartensiedlung in Luckenwalde.

© Patrick Pleul/dpa

Die Fälle Elias und Mohamed: Ende einer langen Suche

Am Donnerstag wurde die Leiche von Mohamed gefunden. Am Freitag suchten die Ermittler die Leiche von Elias. Welche Erkenntnisse gibt es?

Von
  • Ronja Ringelstein
  • Sandra Dassler

Lange wurde nach dem vierjährigen Mohamed und dem sechsjährigen Elias verzweifelt gesucht. Nun stellt sich heraus: Beide sind wohl von demselben Täter getötet worden. Dass ein Zusammenhang besteht, wurde erst nach dem Auffinden der Leiche Mohameds und dem Geständnis von Silvio S. klar.

Wie verläuft die Suche nach Elias?
Das Grundstück, auf dem der Tatverdächtige angeblich den Leichnam von Elias vergraben hat, wird von Polizisten und Kriminaltechnikern komplett abgegraben, sagte ein Ermittler: „Wir gehen äußerst vorsichtig vor, wir wissen ja nicht, ob dort noch mehr zu finden ist.“ Die Arbeiten würden in jedem Fall auch nach Einbruch der Dunkelheit und auch am Sonnabend fortgesetzt, der in Brandenburg ja ein Feiertag (Reformationstag) ist. Am Freitagnachmittag wurde an der von Silvio S. beschriebenen Stelle auf seinem Grundstück in Luckenwalde ein verschnürtes Paket gefunden. Nach Tagesspiegel-Information befand sich darin eine Kinderleiche, die jedoch noch nicht identifiziert ist. Die Polizei gehe aber davon aus, dass es sich dabei um Elias handele. Derzeit läuft ein DNA-Test und die Obduktion. Die Polizei hat für Samstag eine Pressekonferenz angekündigt.

Wie wurde nach dem Verschwinden von Elias im Juli ermittelt?
Am 8. Juli ist der sechsjährige Elias beim Spielen vor dem Fenster der Elternwohnung im Potsdamer Ortsteil Schlaatz verschwunden. Die Polizei hatte sofort mit einer groß angelegten Suchaktion mit Hubschraubern, Wärmebildkameras, Booten und Tauchern nach dem Jungen gesucht. Mehr als 150 Beamte hatten das Wohnumfeld durchstreift und das sumpfige Gelände am nahegelegenen Fluss Nuthe überprüft. Sogar der Wasserstand des Flusses wurde in den Folgetagen abgesenkt; zahlreiche Freiwillige beteiligten sich an der Suche. Am 13. August sagte der Stabsleiter der Polizeidirektion West, dass die Polizei nicht mehr damit rechne, dass der Junge noch lebe. Von den mehr als 900 eingegangenen Hinweisen sei der größte Teil abgearbeitet. Die Sonderkommission wurde Anfang August auf 45 Beamte verkleinert. Ab dem 8. Oktober – Elias wird seit drei Monaten vermisst – werden rund 300 Stunden Filmmaterial und 1000 Fotos erneut überprüft. Doch erst bei der Vernehmung des Silvio S. am Donnerstag, den 29. Oktober, zum Fall des vierjährigen Mohamed Januzi, kommt es zu dem entscheidenden Hinweis im Fall Elias: Silvio S. räumt ein, ein weiteres Kind getötet zu haben, das Elias heiße. Als die Polizei ihm ein Bild von Elias zeigt, bestätigt er, dass das der Junge sei.

Wie wurde nach dem Verschwinden von Mohamed im Oktober ermittelt?
Am 1. Oktober ist Mohamed Januzi vom Gelände des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso) in der Turmstraße in Moabit verschwunden. Bereits am Abend durchsuchten dort Bereitschaftspolizisten das Gelände. Am nächsten Tag wurde mit Plakaten auf dem Lageso-Gelände nach Mohamed gesucht.
Erst am 4. Oktober hat die Polizei eine Öffentlichkeitsfahndung nach Mohamed eingeleitet und am Tag darauf ein Bild von Mohamed veröffentlicht, um Hinweise aus der Bevölkerung entgegenzunehmen.

Wieso liefen im Fall Mohamed die Ermittlungen so schleppend an?
Ein Sprecher der Berliner Polizei gab an, dass es gewisse „Widersprüche“ in den ersten Aussagen der Mutter gegeben habe, die anfangs die Fahndung nach dem Jungen verzögert hätten. Außerdem hatte die von der Polizei am 10. Oktober veröffentlichte kurze Videosequenz aus einer Überwachungskamera, in der zu sehen ist, wie Mohamed am 1. Oktober gegen 14.40 Uhr an der Hand eines unbekannten Mannes das Lageso-Gelände verlässt, eine relativ schlechte Qualität. Erst am 27. Oktober wurde ein neues Video von besserer Qualität veröffentlicht, das den mutmaßlichen Entführer deutlich zeigt. Die Videoaufnahmen waren schärfer als die bislang bekannten – sie stammten von einem Lokal, etwa 700 Meter von der Turmstraße entfernt.

Warum wurde das Video besserer Qualität, das zum Täter führte, erst so spät entdeckt?
Die Ermittler haben einen zunächst kleineren Ermittlungsradius Stück für Stück nach außen verbreitert. Zunächst wurde das Videomaterial des Lageso gesichtet, dann das Videomaterial von der Turmstraße. Erst ab dem 22. Oktober wurden auch Gaststättenbesitzer aus dem weiteren Umkreis von der Polizei nach Aufnahmen von Überwachungskameras gefragt. Die Videoaufnahmen sind illegal entstanden. Eigentlich dürfen Private nur ihren Privatbesitz und nicht den öffentlichen Raum filmen. Polizei und Staatsanwaltschaft ließen am Freitag keine Zweifel daran, dass dies nicht strafrechtlich verfolgt wird. Wahrscheinlich handele es sich ohnehin nur um eine Ordnungswidrigkeit und keine Straftat. Das Video ist aber ein Glücksfund für die Ermittler gewesen, nur durch die Veröffentlichung ging der entscheidende Hinweis auf Silvio S. durch seine Mutter ein, der dazu führte, dass die Leiche des kleinen Mohamed am Donnerstag gefunden wurde. „Die scharfen Aufnahmen wurden mehrere hundert Meter von Lageso entfernt gemacht – ohne diese Aufnahmen wäre heute nichts geklärt“, sagte Martin Steltner, Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin.
Hätten die Tode der beiden Kinder durch schnellere Ermittlungen verhindert werden können?
Im Fall des Mohamed Januzi eher nicht, das Kind wurde nach derzeitigem Ermittlungsstand nur einen Tag nach seiner Entführung vom Lageso-Gelände am 1. Oktober getötet. Wie der Oberstaatsanwalt Michael von Hagen bei einer Pressekonferenz am Freitag mitteilte, habe die Obduktion des Vierjährigen ergeben, dass das Kind schon seit ein paar Wochen tot ist. Das bestätigte die Angaben des Beschuldigten Silvio S, der angab, dass er das Kind nach Verlassen des Lageso-Geländes gleich mit nach Hause genommen hatte und es dort sexuell missbraucht und getötet habe. Im Fall von Elias ist aber noch nicht geklärt, ob schnellere Ermittlungen seinen Tod hätten verhindern können.
Welche anderen Fälle verschwundener Kinder gibt es, mit denen ein Zusammenhang denkbar ist?
Die Ermittler prüfen einen Zusammenhang zum Fall der Vermissten Inga aus Stendal in Sachsen-Anhalt. Die Fünfjährige verschwand am 2. Mai i n einem nahegelegenen Wald. Bisher sehen die Ermittler aber keine Hinweise auf einen Zusammenhang, sagte ein Polizeisprecher.

Ist der Tatverdächtige schon einmal bei der Polizei in Erscheinung getreten?
Nicht einschlägig – das heißt, nicht im Zusammenhang mit pädophilen Handlungen oder gar Tötungsdelikten.

Warum hat sich der Tatverdächtige nicht ausführlicher zur Entführung und zum Tod von Elias geäußert?
Nach Aussagen der Ermittler hatte er erst am Ende einer Stunden langen Vernehmung gestanden, auch einen Jungen in Potsdam entführt zu haben. Der habe ihm auch erzählt, dass er Elias heiße. Er habe auch diesen Jungen getötet. Zu weiteren Aussagen sei Silvio S. nach Absprache mit seinen Anwälten nicht bereit gewesen, hieß es.

Alle schauen auf den Täter. Wer kümmert sich eigentlich um die Eltern der Opfer?
Die Polizei hat die Angehörigen der Opfer wie immer in solchen Fällen informiert, bevor die schlimmen Nachrichten über ihre Kinder an die Öffentlichkeit gegeben wurden. Dabei wurde, so die zuständigen Polizisten und Staatsanwälte, auch sofort Hilfe angeboten. So sei im Fall des vierjährigen Mohamed ein Imam gebeten worden, der aus Bosnien stammenden Mutter und ihrem Lebensgefährten seelsorgerischen Beistand zu leisten. Auch um die Angehörigen von Elias kümmern sich Notfallseelsorger und Polizisten. „Das unsägliche Leid, das sie in diesen Stunden ertragen müssen, kann ihnen aber letztlich niemand abnehmen“, sagte ein Ermittler.

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