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Berlin: Die Fahrer befürchten jetzt ruinösen Wettbewerb auf den Straßen

Mehrere hundert zusätzliche Taxis werden womöglich demnächst über Berlins Straßen fahren. Das Oberverwaltungsgericht hat vor ein paar Tagen eine erstinstanzliche Entscheidung vom Januar vorigen Jahres bestätigt: Trotz schwieriger Ertragslage der Fahrer muss eine neue Konzession erteilt werden.

Mehrere hundert zusätzliche Taxis werden womöglich demnächst über Berlins Straßen fahren. Das Oberverwaltungsgericht hat vor ein paar Tagen eine erstinstanzliche Entscheidung vom Januar vorigen Jahres bestätigt: Trotz schwieriger Ertragslage der Fahrer muss eine neue Konzession erteilt werden. Die Zulassungsbeschränkung des Verkehrssenators ist danach, jedenfalls mit der bisherigen Begründung, hinfällig. Die Zulassungssperren dienten nicht dem Zweck, das Gewerbe vor harter Konkurrenz und wirtschaftlichen Risiken zu schützen, hat das Gericht erklärt.

Damit hatte also ein selbstständiger Taxi-Unternehmer, der die Verkehrsverwaltung verklagt hat, auch in der Beschwerdeinstanz Erfolg. Im Mai 1998 war die Zahl der zugelassenen Taxis von der Verwaltung auf 6700 limitiert worden, um die Existenzgrundlage der ansässigen Taxibetriebe zu sichern..

Der Berliner Taxi-Verband nahm die Urteilsbestätigung "mit Bestürzung" auf. "Wir hatten gehofft, dass die derzeitige Zahl der Taxibetriebe noch ein paar Monate gehalten wird, damit sich das Gewerbe durch den Regierungsumzug erholen kann", sagt Norbert Bleckmann, erster Vorsitzender des Verbandes.

Der Taxi-Verband wünschte sich zumindest eine Erschwerung der Konzessionserteilung. Bei ungehindertem Zustrom sei nicht mehr gewährleistet, dass der gute Ruf und die Seriosität des Gewerbes gewahrt blieben. Unzureichende Wartung der Fahrzeuge oder Überarbeitung der Fahrer könnten Folgen der zusätzlichen Konkurrenz sein. Auch eine Zunahme von Schwarzarbeit und Geldwäsche nennt Bleckmann als mögliche Auswirkungen. 6665 Taxis fahren derzeit auf Berlins Straßen. 410 Antragsteller warten auf neue Konzessionen.

Die Fahrer befürchten nun eine Zunahme des Konkurrenzkampfes. "Früher war es selbstverständlich, dass wir einander halfen", erzählt ein Fahrer: "Heute kann es sich kaum jemand leisten, seinen Standplatz zu verlassen und einem Kollegen bei einem Zahlungsstreit zu Hilfe zu kommen." An den Ehrenkodex, "den wir Taxifahrer haben, halten sich schon jetzt viele nicht mehr", klagt Norbert Harms, seit 10 Jahren im Taxigewerbe. Es sei durchaus üblich, Kollegen die Fahrgäste "abzuklauen". Bei zusätzlichen Taxis werde es noch größeren Andrang auf den Stellplätzen geben. Je nach Tageszeit müssten zwischen drei und sieben Haltestellen angefahren werden, bevor ein freier Platz zu finden sei, erzählt Sharan Ordoi-Azar.

"Wer behauptet, im Taxigewerbe mit acht Arbeitsstunden täglich finanziell über die Runden zu kommen, lügt", meint Said Reza Asgarbandlu. Mit 200 bis 300 Mark Umsatz rechnet ein Taxifahrer an guten Tagen. Dafür müsse er aber mindestens 10 bis 12 Stunden unterwegs sein. Zwischen 33 und 40 Prozent bleiben nach Abzug der Steuern und den Abgaben an den Unternehmer übrig. "Alle 14 Tage mache ich einen Sonntag frei", beschreibt Bernd Pernasch seine Situation.

Der Fahrer Mahmut Öztürk dagegen glaubt an die freie Marktwirtschaft. "Das regelt sich bestimmt alles von alleine, und wenn es sich nicht mehr lohnt, höre ich auf."

Silke Derkum

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