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Berlin: Die Fahrgäste sind hin und weg

Der Hauptbahnhof ist ein Jahr in Betrieb – erfolgreich. Und das Glasdach? Wird vielleicht verlängert

Es hätte ein Geburtstagsgeschenk sein können, was da unter den Bahnviadukten am Ostbahnhof eingemauert ist: Die Verlängerung des Glasdachs für den Hauptbahnhof, als Bausatz. Aber dazu kommt es vorerst nicht. Das Verkehrsministerium prüft derzeit, ob das Dach verlängert werden kann, so wie es unter anderem der Architekt wünscht. Ein Ergebnis liege aber frühestens im Sommer vor, sagte ein Ministeriumssprecher. Ein Experte, dessen Rat man unbedingt einholen wolle, sei derzeit im Ausland. Der Verkehrsausschuss des Bundestages hatte das Ministerium im März zu der Untersuchung aufgefordert.

Der spektakuläre Bahnhof ging vor einem Jahr – am 28. Mai – in Betrieb; mit dem um rund 100 Meter verkürzten Dach. Nur so konnte gesichert werden, dass der gläserne Palast rechtzeitig zur Fußball-WM fertig war. Die Kritik an der Dachverkürzung ist bis heute nicht verstummt. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat sich für die Langversion eingesetzt. Doch Bahnchef Hartmut Mehdorn will nicht nachgeben, obwohl die Teile, die fehlen, bereits produziert sind.

Mit dem Architektenbüro von Gerkan, Marg und Partner liegt die Bahn noch wegen anderer Themen im Streit, zum Beispiel wegen der Flachdecke im Untergeschoss des Bahnhofs. Architekt Meinhard von Gerkan hatte sich vor dem Landgericht den Erfolg erstritten, dass die Flachdecke gegen die von ihm geplante Gewölbekonstruktion ausgetauscht werden muss. Das wäre aber viel teurer geworden, so dass die Bahn sich dagegen entschieden hatte. Gegen das Urteil hat sie Berufung eingelegt. Die Flachdecke hat das erste Betriebsjahr des größten Kreuzungsbahnhofs Europas also überstanden. Beim Verkürzen des Daches hatte von Gerkan hingegen selbst an den geänderten Plänen mitgearbeitet.

Streitereien hin oder her, die Bürger haben den Bahnhof angenommen. Wie prognostiziert, kommen nach offiziellen Angaben täglich rund 300 000 Menschen durch die Station – für die Bahn ein voller Erfolg. Durch die neue Nord-Süd-Verbindung hat die Zahl der Fahrgäste im Fern- und Nahverkehr zugenommen. Und das, obwohl der Bahnhof nach wie vor nur unzureichend ans Nahverkehrsnetz der Stadt angeschlossen ist. Die U-Bahn-Linie U 55 soll frühestens Anfang 2009 zum Brandenburger Tor fahren, wo die Fahrgäste dann in die Nord-Süd-S-Bahn umsteigen können. Die Gleise der Straßenbahn sollen den Hauptbahnhof sogar erst frühestens 2011 erreichen. Vielleicht ist bis dahin sogar das Dach verlängert worden – falls das Verkehrsministerium dies für wirtschaftlich vertretbar halten sollte.

Strittig ist auch die Frage, welche Belästigung eine Dachverlängerung bedeuten würde – die Bahn meint, der Verkehr auf der Stadtbahn müsste für ein Jahr unterbrochen werden, und zwar komplett im Fern- und Regionalverkehr und bei der S-Bahn. Der grüne Verkehrsexperte Michael Cramer hingegen hält einige Sperrungen an Wochenenden für ausreichend. Man könne ein Schutzgerüst über die Gleise bauen und dann das Dach montieren. Vorerst stehen die Passagiere der ersten Klasse also weiter im Regen – das Dach wurde gerade da gekürzt, wo die Erste-Klasse-Wagen halten.

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