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Berlin: Die Frauen wehren sich

Zwangsheirat und häusliche Gewalt werden nicht länger einfach nur ertragen

Yasemin hat einen Teufel gemalt. Das Bild will sie ihrem Vater nach Bursa in der Türkei schicken. Dort sitzt er im Gefängnis, weil er Yasemins Mutter getötet haben soll. „Sie haben gestritten, und er hat sie geschlagen“, erzählt das Mädchen. Am 4. Januar soll Mahmut S. die Mutter seiner fünf Kinder erwürgt haben, wahrscheinlich weil sie ihn per Gerichtsbeschluss vor die Tür gesetzt hatte. Dann floh er in die Türkei, wo ihm derzeit der Prozess gemacht wird.

Der Tod von Meyrem Ö. war einer von vier Morden an türkischen Frauen in Berlin, die zwischen November 2004 und Februar 2005 die Öffentlichkeit aufwühlten. Seither habe sich einiges getan, sagt Rada Gubic, Leiterin des interkulturellen Frauenhauses: „Die Öffentlichkeit ist sensibilisierter für Themen wie häusliche Gewalt und Zwangsheirat.“ Konkrete Zahlen kann sie noch nicht nennen, aber es sei eindeutig zu bemerken, dass sich mehr Frauen und Mädchen in dem Haus beraten ließen und sich entschlossener gegen ihre Peiniger wehrten. Diese Erfahrung haben auch die Betreuerinnen im Autonomen Frauenhaus gemacht. Von ihren 51 Plätzen sind gegenwärtig fünf von jungen Frauen belegt, deren Familie sie zu einer Heirat zwingen wollte, die sie ablehnen.

Die Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt (BIG) verzeichnet nach Medienberichten über Misshandlungen oder Zwangsheiraten ebenfalls regelmäßig mehr Anruferinnen. „Viele Frauen fühlen sich selbst verantwortlich für das, was ihnen angetan wird“, sagt Irma Leisle, eine der Leiterinnen des Projekts. Häufig sei es erst die öffentliche Diskussion, die sie ihre Scham überwinden ließe. Häufig sind es auch die von den Frauen zur Hilfe gerufene Polizisten, die jene auf das Beratungsangebot von BIG aufmerksam macht. So bekommt die Organisation mittlerweile 6000 Anrufe im Jahr. (BIG ist täglich zwischen 9 und 24 Uhr unter 6110300 erreichbar.)

Ob das gestiegene Bewusstsein für häusliche Gewalte sich auch in der Kriminalstatistik niederschlägt, wird sich im Februar zeigen, wenn der Innensenator die Zahlen für 2005 herausgibt. Bei der Polizei selbst jedenfalls sei die Sensibilität ebenfalls gestiegen, sagt ein Sprecher: „In jeder Direktion gibt es inzwischen kompetente Ansprechpartner“ – es dürfte also nicht mehr vorkommen, was Meyrem Ö. ein Jahr vor ihrem Tod noch geschehen ist: Sie wurde von den Beamten nach Hause geschickt, als sie Schutz vor ihrem prügelnden Mann Mahmut suchte.

Heute strahlt das RBB-Fernsehen eine 30-minütige Dokumentation über den Fall Meyrem aus.

„Blutige Ehre - Der folgenschwere Tod der Meyrem Ö.“ heute 21 Uhr im RBB.

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