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Berlin: Die Freuden des Werkzeugkastens

Von Andreas Conrad Eine Einladung von der Queen, zum Five o’ Clock Tea auf der Sommerresidenz Balmoral Castle? Jeder Automobilist der Golf-Klasse würde bei dieser Behauptung vom Torwächter nur einen drohenden schottischen Knurrlaut, allenfalls ein schallendes Gelächter zu hören bekommen.

Von Andreas Conrad

Eine Einladung von der Queen, zum Five o’ Clock Tea auf der Sommerresidenz Balmoral Castle? Jeder Automobilist der Golf-Klasse würde bei dieser Behauptung vom Torwächter nur einen drohenden schottischen Knurrlaut, allenfalls ein schallendes Gelächter zu hören bekommen. Lenkt man aber ein dem Schloss offensichtlich würdiges Fahrzeug in die Einfahrt, das um einiges älter ist als die Hausherrin, kommt man sogar in vier solcher automobilistischen Kostbarkeiten dahergeknattert – dann gerät der Zerberus am Tor doch aus der Fassung und stottert, die Königin sei doch gar nicht da.

Ein französischer Amilcar CS von 1923 ist zweifellos ein standesgemäßes Gefährt für eine Stippvisite bei den Royals. Nur gut, dass dabei nicht die Zylinderkopfdichtung durchgebrannt ist wie gestern bei den 15. Oldtimer-Tagen Berlin-Brandenburg auf dem Festplatz am Kurt-Schumacher-Damm. Der gewöhnliche Golf-Klässler geriete ob solchen Ungemachs aus der Fassung, riefe nach ADAC, Abschleppunternehmen, Autovermietung. Ein berufener Schrauber wie Thomas Gommert dagegen, im anderen Leben öffentlich bediensteter Erzieher, ergibt sich in sein Schicksal und klappt den Werkzeugkasten auf. Eine Dichtung hat er sowieso immer dabei. Das ist ratsam. Michael Hetmann, der sich mit Gommert und Gleichgesinnten zum Oldtimer-Stammtisch trifft, mit seinem Riley IMP von 1935 ebenfalls in Schottland dabei war, hatte die gleiche Panne kurz vor der Überfahrt nach Newcastle erwischt. Eine Viertelstunde, bevor die Fähre ablegte, war sein Roadster flott.

Doch noch immer wartet der königliche Tea, wird langsam kalt. Die Queen war wie gesagt nicht da, die Bitte, immerhin auf den Schlosshof rollen zu dürfen, wurde abgeschlagen. Ein andermal vielleicht. Tags darauf waren die Berliner Oldtimer-Piloten wieder da – und hatten Erfolg. So ein Blechspielzeug ist eine famose Eintrittskarte.

Und ein Stunden fressender Zeitvertreib. Vor 17 Jahren hatte Gommert seinen Franzosen erworben, der in einer Oldtimer-Zeitschrift angeboten worden war. Warum gerade ihn? „Vielleicht weil er wie ein Bugatti aussieht, aber nicht so teuer ist.“ Armaturen fehlten, die Karosserie – mit ihren Holzspanten und der Stromlinienform deutlich dem Bootsbau entlehnt – war in schlechter Verfassung. Gleich zweimal hat Gommert den Wagen restauriert, erst so wie er es nicht besser wusste, und dann noch einmal richtig, mit dem inzwischen erlangten Wissen. Fünf Jahre hat das gedauert. Was er macht, wenn ein Teil fehlt? Suchen, suchen, suchen.

Oldtimer ist ein dehnbarer Begriff. Offiziell gilt er ab 30 Jahre, aber ganz so streng hat man das gestern an der Einfahrt zum Schaugelände nicht genommen. Eine Rarität sollte das Fahrzeug sein, wert, gezeigt zu werden, umreißt Thomas Dietrich den Maßstab für den Gratiszutritt zum Festplatz. Zum 15. Mal veranstaltet er die Oldtimer-Tage bereits, gemeinsam mit seinem Partner Sohar Sandler. 150 Teilehändler und 20 Klubs haben sich angemeldet, etwa 1000 Oldtimer-Besitzer werden wieder kommen und ihre Schätze zeigen, schätzt Dietrich.

Gestern Vormittag war noch jede Menge Platz für kostbares Blech, gut für die Besitzer der dicken Ami-Schlitten, die nun aufs Gelände rollten, mit dem n Auto kaum noch zu bezeichnen, mehr Architektur auf Rädern, flossenstarrend, chromblinkend, dumpf vor sich hin blubbernd aus unzähligen Töpfen. Ein DKW Junior von 1961, ja sogar ein Amphicar 777 von 1963 wirkten dagegen wie ein Kinderspielzeug, obwohl doch auch sie respektable Flossen aufzuweisen hatten und letzterer sogar schwimmfähig ist, ein „Deutsches Kulturgut“, das man „Bitte nicht berühren“ möge, wie der Besitzer auf einem Schild zweisprachig forderte.

Auf so eine Idee käme Klaus Fricke nie. Seine Waren muss man sogar drehen und wenden, um Zustand, Verwertbarkeit, Preiswürdigkeit zu prüfen. Unkundige könnten sein Sortiment als Schrott ansehen, Oldtimer-Besitzern gelten Männer wie er oft als letzte Rettung. Seit 25 Jahren handelt der bei Braunschweig wohnende Fricke mit Teilen, bietet seine Waren in ganz Deutschland an und erstmals nun auch in Berlin. Er selbst sammelt alte Hanomags und BMWs, 60 Fahrzeuge sind schon zusammengekommen, die in einer ehemaligen NVA-Kaserne stehen. Ein besonderes Stück, das er anzubieten habe? Fricke muss nicht lange nachdenken, hat er doch eigens eine lokale Rarität eingepackt: eine Emailleplakette vom DKW-Wagenrennen 1961 auf der Avus. 95 Euro sollte einem das Blechschild schon wert sein.

Noch einmal heute, 10 bis 16 Uhr

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