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Berlin: Die friedliche Kämpferin

Tegla Loroupe ist eine erfolgreiche Marathonläuferin. 1999 schaffte sie in Berlin Weltbestzeit. In Kenia bringt sie verfeindete Völker dazu, gemeinsam um die Wette zu laufen – beim „Peace Run“

Es war wieder einer dieser Tage, als ich zu Hause in Kenia war und mir die Menschen von ihrer Not erzählten. Ich stamme aus der Grenzregion, jenem Dreieck, wo Kenia, Sudan und Uganda zusammentreffen. Die Armut dort können sich Europäer nicht vorstellen. Die Menschen kämpfen, sie stehlen sich gegenseitig ihr Vieh. Nicht, weil sie kriminell sind, sondern weil sie Hunger haben. Und manchmal versiegen auch noch die Wasserlöcher. Die Kinder haben keine Ausbildung, die Schulen sind schlecht, die Bücher teuer, die Wege weit. Der Bürgerkrieg im Sudan hat die Lage verschlimmert.

Wir haben überlegt, wie wir ein Zeichen setzen können. Warum nicht ein Wettlauf, dachte ich. Die Leute wissen, dass das Laufen mich aus dieser harten Welt herausgeholt, mich wohlhabend und berühmt gemacht hat. Ich habe Einfluss dort, ich kenne Leute aus dem kenianischen Parlament, Athleten und Funktionäre aus dem Sudan und Uganda. Sie halfen mit, waren begeistert von der Idee.

Ich habe eben von klein auf gelernt, mich durchzusetzen. Wir waren 25 Geschwister, mein Vater fand, ich sollte nicht laufen, sondern arbeiten: Wasser schleppen, Kinder hüten, auf dem Feld arbeiten. Aber ich bin stur geblieben. Das dient heute vielen als Beweis: Du kannst etwas verändern, wenn du nur willst.

Am 13. Dezember 2003 war es so weit: Der „peace run“ fand erstmals statt und 5000 Leute kamen. Manche hatten nicht einmal Schuhe an den Füßen, andere rannten in ihren alten Klamotten. Es war faszinierend zu sehen, wie verfeindete Menschen sich plötzlich in einem friedlichen Wettkampf zusammenfanden. Manche mussten vorher noch ihre Waffen abgeben. Diplomaten waren dabei, Profi-Läufer, aber auch ganz einfache Menschen. Es war ein großartiges Ereignis. Die meisten sind zehn Kilometer gerannt, für die Politiker hatten wir eine Fünf-Kilometer-Strecke, weil die nicht so sportlich sind, und für Kinder waren es noch 2000 Meter. Wir hatten sogar Startnummern, von Coca-Cola gesponsert. Natürlich kann ein solcher Lauf nicht auf einen Schlag verändern, was über Jahrzehnte an Feindschaften gewachsen ist. Aber es war schön zu sehen, wie sich Leute die Hand gaben, die sich kurz vorher noch erschossen hätten.

In diesem Jahr wird es wieder einen Friedenslauf geben, am 20. November. Und es werden hoffentlich noch mehr Läufer teilnehmen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Sponsoren fänden, für die Startnummern, für Medaillen, für ein paar kleine Preise. Die Menschen freuen sich so unendlich, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Leistungen anerkannt werden. Wenn nur jeder Läufer des Berlin-Marathons einen Euro spenden würde, dann wäre unser ganzer Lauf finanziert. Ich weiß, wie großartig die Stimmung in Berlin ist, besonders an der Hasenheide, wo ich gern einmal laufen würde, mitten in diesem verrückten Stadtteil Kreuzberg. Ohne die Atmosphäre wäre ich 1999 bestimmt nicht Weltjahresbestzeit gelaufen.

Für mich gehört der Friedenslauf zu einem größeren Konzept, das ich mit meiner Tegla-Loroupe-Stiftung plane. Derzeit sammle ich mit der Stiftung Geld für ein Internat, damit die Kinder in meiner Heimat eine Zukunft haben. Vielleicht gelingt es mir sogar, dieses Modell auch in anderen afrikanischen Staaten zu verwirklichen. Ohne Bildung, das wird den Menschen inzwischen klar, haben sie keine Chance.

Wer Kontakt zu Tegla Loroupe aufnehmen oder sich für den Friedenslauf engagieren will, ihre E-Mail-Adresse lautet:

teglaloroupe@gmx.de

Alle 6 Karten zur Serie gibt es ab sofort in der Tagesspiegel-Geschäftsstelle Potsdamer Str.77-87 zu kaufen (50 Cent/Stück).

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