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Berlin: Die fröhliche Wahl

Stimmung bei der Abstimmung: Die ersten Iraker haben ihre Zettel abgegeben. Drinnen wurde geklatscht und gesungen. Draußen stand die Polizei

Immer wieder klatschten Wahlhelfer Beifall und sangen, als am Freitag die ersten Exil-Iraker im Wahllokal an der Albertinenstraße in Weißensee ihre Stimmzettel in die Urnen warfen. Es war wie ein Familienfest: Viele Wahlberechtige hatten ihre Kinder mitgebracht. Kurden trugen zu dieser ersten freien Wahl nach dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein traditionelle, bunte Kleidung, viele Iraker hatten sich in die Flagge ihres Heimatlandes gehüllt.

Der irakische Botschafter Abdul Hussein Al-Hashemi war der Erste, der noch vor der offiziellen Öffnungszeit des Lokals um 7 Uhr seine Stimme abgab. Insgesamt wählten gestern schätzungsweise 1000 Exil-Iraker unter großen Sicherheitsvorkehrungen. Sie alle mussten einen Finger in blaue Farben tunken – damit sie nicht zwei Stimmen abgeben.

Der Ansturm der auf drei Tage angesetzten Wahl wird für das Wochenende erwartet. Knapp 5000 Exil-Iraker haben sich in Berlin registrieren lassen. Sie kämen nicht nur aus den benachbarten Bundesländern, sondern auch aus Tschechien und Polen, sagte Jakob Preuss von der „Internationalen Organisation für Migranten“. Diese UN-Organisation hat die Wahlen europaweit für die im Ausland lebenden Iraker vorbereitet.

Aus Angst vor Anschlägen riegelte die Polizei das Wahllokal hermetisch ab: Die Albertinenstraße ist für Fahrzeuge gesperrt, und auch die Amalienstraße dürfen nur Fußgänger entlanggehen. Vor dem Wahlgebäude selbst halten Polizisten mit Maschinenpistolen Wache; Nagelsperren und Betonpoller sollen verhindern, dass Attentäter mit Sprengstoff beladenen Fahrzeugen die Sperren durchbrechen. Alle registrierten Wähler mussten sich ausweisen und eine Sicherheitsschleuse wie auf den Flughäfen passieren. Das Rote Kreuz hatte vorsorglich zwei Zelte aufgebaut und einen Rettungswagen bereitgestellt.

Lange mussten die Wähler in der Kälte aber nicht ausharren, es ging zügig voran. Durch einen Nebeneingang wurden sie in den Gebäudekomplex geschleust. Lautstarke Proteste Einzelner gab es, als ein Fernsehteam des Senders Al Dschasira erschien und Aufnahmen machte.

Verärgerte Anwohner mussten am Vormittag von der Polizei beruhigt werden. Eine Interessengemeinschaft aus der Nachbarschaft bemängelte die unzureichende Information durch die Polizei. Diese hatte, wie berichtet, wegen befürchteter Anschläge kurzfristig am Mittwoch die beiden Straßen sperren und über 30 Autos von Anwohnern, die nicht zu Hause waren, abschleppen lassen. Außerdem hatten die Anwohner Angst, Opfer möglicher Anschläge zu werden. Es gebe aber keine Hinweise auf einen Angriff auf das Wahllokal, zerstreute Thomas Böttcher, der als Polizeiführer für die Sicherheit zuständig ist, die Bedenken.

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