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Berlin: DIE GASEXPLOSION IN STEGLITZ: Nach dem Schrecken stehen die Mieter vor dem Nichts

Als sie die Nachricht von Svens Tod erreichte, war es um Sabine Gödtkes Fassung geschehen.Die junge Frau, die Glück im Unglück hatte und während der Explosion nicht in ihrer Wohnung war, verlor plötzlich all ihre Kraft und Hoffnung und brach weinend zusammen.

Als sie die Nachricht von Svens Tod erreichte, war es um Sabine Gödtkes Fassung geschehen.Die junge Frau, die Glück im Unglück hatte und während der Explosion nicht in ihrer Wohnung war, verlor plötzlich all ihre Kraft und Hoffnung und brach weinend zusammen."Sie hatte bis zum Schluß gehofft, daß der Junge nur verschüttet, aber nicht tot ist", sagt Norbert Blauert von der Arbeiterwohlfahrt (AWO).Im Jugendgästehaus in Lichterfelde betreuen Blauert und seine Kollegen die Frau und ihre Tochter."Sie hatte sich bei der Polizei in Lichterfelde gemeldet und nahm das Angebot, bei uns unterzukommen, gleich an", sagt Blauert.

Einundzwanzig Bewohner waren in dem Haus gemeldet.Die Explosion hat eine bunt gemsichte Hausgemeinschaft zerrissen.Neben einigen Rentnern und Menschen älteren Jahrgangs gehörten auch Paare und Singles um die 30 Jahre und die beiden Kinder Sven und Tina zu den Hausbewohnern.Vierzehn Mieter waren zum Zeitpunkt des Einsturzes nicht in ihren Wohnungen oder konnten gerettet werden.Fünf Bewohner wurden bis gestern abend tot geborgen; die anderen Mietern werden noch vermißt.

Sabine Gödtke war froh, nicht in ihrer Wohnung gewesen zu sein.Die 30-jährige Frau hatte das Haus erst eine halbe Stunde vor der Detonation verlassen.Sabine Gödtke arbeitet als Reinigungskraft überwiegend vormittags."In dieser Zeit kümmert sich ein ebenfalls alleinerziehender Bekannter der Frau um die 10jährige Tochter Tina", erzählt Blauert.Nachmittags würden die Kinder dann von Sabine Gödtke betreut, während ihr Bekannter in dieser Zeit arbeite.Bei diesem Bekannten hielt sich zum Zeitpunkt des Unglücks die kleine Tina auf."Eigentlich wollte der Mann mit seiner Tochter am Vorabend zu Frau Gödtke kommen, doch sie war dagegen", sagt Blauert.

Der Tod des Nachbarjungen hat Sabine Gödtke schwer zugesetzt.Als sei ihr mit dieser Nachricht ihr eigenes Schicksal erst richtig bewußt geworden, dachte sie über ihre neue Situation, den Verlust ihrer Wohnung und vor allem über die nicht mehr vorhandenen persönlichen Dinge nach."Sie sorgt sich vor allem um die Baby-Fotos und Dias ihrer Tochter, die für sie einen großen persönlichen Wert haben", erzählt Blauert.Ihre Tochter Tina trauert vor allem um ihre Spielsachen und das neue Fahrrad.

Um eine neue Bleibe müssen Mutter und Tochter sich unterdessen zunächst keine Gedanken machen.Bei der Steglitzer Sozialabteilung gingen schon am Dienstag mehrere vorübergehende Wohnungsangebote ein."Gestern morgen hat Frau Gödtke sich für ein voll möbliertes Gartenhaus einer Familie in Lichterfelde entschieden, wo ihre Tochter im Garten spielen kann und wo auch andere Kinder leben", sagt AWO-Mitarbeiter Blauert.

In ihrem alten Haus in der Lepsiusstraße 57 hat Tochter Tina oft mit dem dreizehnjährigen Sven gespielt."Die Mutter sagte, sie hätte auf der gleichen Etage wie Sven gewohnt", sagt Blauert.Doch das scheint derzeit noch ebenso unklar, wie das Schicksal dreier noch vermißter Frauen, einer 68jährigen Rentnerin und ihrer beiden Töchter im Alter von 38 und 46 Jahren, die nach Polizeiangaben in der rechten Erdgeschoßwohnung neben der Wohnung des verunglückten Jungen und dessen Eltern gewohnt haben sollen.Bis zum Abend konnten zwei Männer und zwei Frauen noch nicht identifiziert werden.Ein 66jähriges Ehepaar, das im ersten Obergeschoß auf der linken Seite gelebt hat, wird noch vermißt.

Zwar haben die meisten von ihnen das Unglück mit einem großen Schrecken überstanden, von den persönlichen Habseligkeiten scheint dagegen nicht mehr viel übriggeblieben zu sein.Dennoch finden die Helfer immer wieder Gebrauchsgegenstände der Bewohner, die noch funktionstüchtig sind sowie Fotoalben, Papiere und allerlei Dinge mit materiellem und ideellem Wert für die früheren Hausbewohner.Alle Fundstücke werden in einen Lastwagen sortiert und von der Polizei sichergestellt.Einige Stücke können den Bewohnern zugeordnet werden, andere könnten zur Klärung der Unglücksursache beitragen.

Um die Bewohner - zumindest jene, die sich bei der Abteilung Soziales in Steglitz gemeldet haben - so schnell wie möglich in anderen Wohnungen unterzubringen, prüfen die Mitarbeiter der Behörde alle eingehenden Angebote."Sowohl private Wohnungsbesitzer als auch große Wohnungsbaugesellschaften wie die Degewo, die GSW und die Gagfah haben uns ihre Hilfe und Wohnungen angeboten", sagt Thomas Tosch von der Steglitzer Sozialabteilung.Jetzt werde vor allem geprüft, welches Angebot für Sabine Gödtke und ihre Tochter in Frage komme.Er rief auch andere der plötzlich obdachlos gewordenen Bewohner auf, sich zu melden.

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SILKE EDLER

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