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Berlin: Die gestohlenen Filme drehte Hitlers Kameramann

Die Täter hinterließen keine sichtbaren Spuren. Der Bretterverschlag Nummer 49 ist nicht einmal angekratzt, das Schloss blieb intakt.

Von Frank Jansen

Die Täter hinterließen keine sichtbaren Spuren. Der Bretterverschlag Nummer 49 ist nicht einmal angekratzt, das Schloss blieb intakt. "Das müssen Profis gewesen sein", sagt Hanns-Peter Frentz, "als ich am 24. November den Einbruch bemerkt habe, waren wohl schon mehrere Tage vergangen." Dabei hatte Frentz gehofft, das Vermächtnis seines Vaters sei in einem unauffälligen Neuköllner Keller besonders sicher. Doch nun sind, wie berichtet, Raritäten verschwunden, die vor allem alte und neue Nazis begeistern dürften. In zwei schweren Holzkoffern aus den 40er Jahren befanden sich 98 großformatige Fotografien, so genannte Duxochromien, auf denen Adolf Hitler, Hermann Göring, Joseph Goebbels und andere Größen der NS-Zeit zu sehen sind. Im jeweiligen "Führerhauptquartier" und bei Besuchen prominenter Gäste auf dem Obersalzberg. Nicht in Schwarzweiß, wie damals üblich, sondern in Farbe.

Die Einbrecher nahmen auch einen 16-Millimeter-Projektor aus den 60er Jahren mit und 20 Filmrollen. "Alles, was ich vom Werk meines Vaters hatte, ist weg", sagt Frentz. Er beklagt weniger den materiellen Schaden als den Verlust seltener historischer Dokumente. Denn Vater Walter Frentz galt als "Kameramann des Führers". Den Nazis war der Nutzen seiner Begabung klar geworden, nachdem er mit Leni Riefenstahl die Parteitagsfilme "Sieg des Glaubens" und "Triumph des Willens" sowie das Opus über die Olympischen Spiele 1936 gedreht hatte. 1941 erhielt Walter Frentz den Auftrag, Hitler und sein Umfeld permanent abzubilden, vornehmlich für die Wochenschau. Frentz diente als Regisseur, Kameramann und Fotograf - bis kurz vor Hitlers Selbstmord.

Unter den gestohlenen Filmrollen findet sich allerdings nur ein nationalsozialistischer Propaganda-Streifen. "Hände am Werk", kurz nach der Machtergreifung gedreht, zeigt eher sachlich als dröhnend die Arbeitswelt. Die Nazis hätten den Film, sagt Hanns-Peter Frentz, in den Archiven verschwinden lassen. Doch die aufwändig hergestellten Duxochromien sind Hochglanz-Porträts, wie sie die braune Prominenz zu sehen wünschte. Hanns-Peter Frentz vermutet, Militaria-Händler oder Nazi-Kreise, vielleicht sogar ausländische, könnten den Einbruch in Auftrag gegeben haben. Mehrmals habe er dubiose Anfragen zurückgewiesen. Aus den USA seien ihm für die Farbfotografien sogar 250 000 Mark geboten worden. Hanns-Peter Frentz hielt auf Distanz: "Ich will mit solchen Leuten nichts zu tun haben." Und er legte sich mit dem englischen Holocaust-Leugner David Irving an. Dieser garniert seinen Internet-Auftritt mit Hitler-Bildern von Walter Frentz. "Dagegen kam ich nicht an", klagt Hanns-Peter Frentz.

Vom Diebstahl weiß sein Vater nichts. Walter Frentz ist 94 Jahre alt und lebt in einem Altersheim. Wie hat er sich mit seiner Rolle im Dritten Reich auseinander gesetzt? Der Sohn zögert ein wenig. "Er ist das Thema leider in ähnlicher Weise angegangen wie Leni Riefenstahl." Der Vater vertrete die Meinung, er habe doch nur dokumentiert, "was andere gemacht haben". Dabei hat Walter Frentz mehr mitbekommen als die propagandistische Selbstinszenierung der Nazis. Er habe die Produktion der V 1- und V 2-Waffen im thüringischen Konzentrationslager Mittelbau-Dora gefilmt, weiß Hanns-Peter Frentz. Und sein Vater erlebte, wie die SS 1941 in Minsk tausende Juden erschoss. "Er war total entsetzt", sagt der Sohn. Dennoch habe sich der Vater bis in die 70er Jahre an das Redeverbot gehalten, das ihm ein General nach dem Massaker auferlegt hatte.

Nach dem Krieg und knapp einjähriger Internierung durch die Amerikaner konnte Walter Frentz wieder filmen. Unter anderem für den Bundeslandwirtschaftsminister und das deutsche Jugendherbergswerk. Walter Frentz wandte sich vor allem Natur- und Umweltthemen zu. Ende der 60er Jahre drehte er einen der ersten Filme, die vor der Umweltverschmutzung warnten. Der Titel lautete "Alarm - Alarm". 1980 beendete Frentz seine Laufbahn mit einem Streifen über Naturparks in Amerika. "Der Verlust dieser Filme tut mir weh", sagt der Sohn. Zu den gestohlenen Duxochromien scheint er hingegen nur eine nüchterne, allenfalls pädagogisch geprägte Haltung zu haben. Bilder des Vaters konnten Medien und Museen nutzen, derzeit sind einige in der kürzlich in Mitte eröffneten, neuen Wehrmachts-Ausstellung zu sehen. Wo sich die gestohlenen Originale und die Filmrollen jetzt befinden könnten, lässt sich allenfalls vermuten. Die Kriminalpolizei sagt, bislang gebe es nicht einen einzigen Hinweis.

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