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Hoch die Flaschen: Die vier Spitzenkandidaten der Grünen feiern das Berliner Ergebnis.

© dpa

Die Grünen in Berlin: Ein Sieg sieht anders aus...

Die Grünen haben mit der Ablösung der großen Koalition wohl zumindest ein Wahlziel erreicht. Doch liegen sie deutlich unter dem Wahlergebnis von 2011.

Von Sabine Beikler

Tipps für seine Grünen-Parteifreundin Ramona Pop wollte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht geben. „Du machst das toll“, sagte er vor ein paar Tagen. „Ich hoffe, dass ihr an die Regierung kommt.“ Um 18 Uhr am Sonntagabend jubelten die grünen Parteifreunde im E-Werk. Doch im Verlauf des Abends gingen die Prozentpunkte für die Partei, die endlich mal Regierungsverantwortung in Berlin übernehmen will, kontinuierlich runter. Bis zum späten Abend lagen die Grünen sogar noch hinter den Linken auf dem vierten Platz. Ein Sieg sieht anders aus.

Am Abend waren die Partei noch optimistisch, dass „im nächsten Senat nichts an den Grünen vorbei führt“, wie Landeschef Daniel Wesener sagte. Auch Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Anton Hofreiter, sagte, er wünsche sich eine rot-grün-rote Regierung in Berlin. „Diese Stadt braucht eine progressive Regierung.“ Eine rot-grün-rote Landesregierung könne ein „klares Signal für Weltoffenheit“ setzen, betonte Parteichefin Simone Peter. Es sei gut, wenn diese Koalitionsoption in Berlin gestärkt werde. „Es wäre gut, eine solche Option auch im Bund zu haben“, sagte sie.

Der Wahlkampf der Grünen war auf ein Ziel ausgerichtet, das sie erreicht haben: die große Koalition abwählen. Nicht geschafft haben sie ein starkes grünes Wahlergebnis, das sie aus eigener Kraft legitimiert, nach einem kurzen Intermezzo 2001 endlich mal richtig mitzuregieren. Im Gegenteil: Es könnte letztendlich so kommen, dass die Grünen der – wenn auch notwendige – Appendix einer rot-roten Koalition werden.

Und dabei wollte man alles anders machen und nicht die Fehler der letzten Abgeordnetenhauswahl im Jahr 2011 wiederholen. Damals war der Wahlkampf allein auf die Spitzenkandidatin Renate Künast ausgerichtet, eine Gesamtstrategie fehlte ebenso wie ein strategisches Zentrum. Und besonders problematisch war, dass die Spitzenkandidatin mit Rückkehroption in den Bund auch nicht so richtig mit dem Programm harmonierte. Künast sei die „Dame ohne Unterleib“ geblieben, unkten damals viele in der Partei.

Deshalb war die Strategie in diesem Wahlkampf nicht mehr auf eine Spitzenkandidatin ausgerichtet, sondern auf ein Quartett mit einem ausgewogenen Flügelproporz: Ramona Pop und Landeschefin Bettina Jarasch für die Realos, Fraktionschefin Antje Kapek und Landeschef Daniel Wesener für die Parteilinken. Und richtigerweise war die politisch erfahrene Pop, die seit 15 Jahren Oppositionsarbeit macht, die eigentliche Spitzenkandidatin. Die Strategie ist zumindest dahingehend aufgegangen, dass es keine missverständlichen Äußerungen des Vierer-Teams während des Wahlkampfs gegeben hat. Und im Gegensatz zu 2011 hat auch die Kommunikation zwischen dem Spitzenpersonal und der Basis funktioniert.

Die Grünen fokussierten sich auf die Themen lebenswertes Leben, moderne Mobilität und weltoffene Stadt. Jeder der Spitzenleute kümmerte sich um einen Bereich. Dadurch wurde aber nicht deutlich, wer tatsächlich bei den Grünen den Hut auf hatte. Es gab zwar viele kleine Aktionen, aber man konnte durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Partei nicht sehr sichtbar war im Wahlkampf.

Erste Sondierung im TV-Studio? Berlins SPD-Chef Michael Müller und die Spitzenkandidatin der Grünen, Ramona Pop, beglückwünschen sich gegenseitig.
Erste Sondierung im TV-Studio? Berlins SPD-Chef Michael Müller und die Spitzenkandidatin der Grünen, Ramona Pop, beglückwünschen sich gegenseitig.

© AFP

Die Grünen waren allzu bescheiden in ihren Forderungen

Trotz des hochgehaltenen „Teamgeists“ und der „Alternative zum üblichen Führungsstil“ hatte diese Strategie nur einen Webfehler: Die Grünen waren allzu bescheiden in ihren Forderungen. „Mehr Kante zeigen“, forderten Parteifreunde auch aus dem Realo-Lager. Beflissen sprang Ramona Pop über das Stöckchen, das ihr der Regierende Bürgermeister Michael Müller hinhielt nach seiner Aussage, er würde statt Rot-Grün-Rot dann doch lieber Rot-Grün vorziehen, aber nur wenn die Grünen eine Zusammenarbeit mit der CDU ausschließen würden. Pop sprang hurtig drüber und schloss nicht nur eine Koalition mit der „Henkel-CDU“, sondern auch mit der gesamten Berliner CDU aus. Ein unnötiger Ausschluss, wie viele bei den Grünen finden. „Warum hat denn die SPD nicht eine Koalition mit der CDU ausgeschlossen?“, fragen sich Parteifreunde. Aber die Furcht war angesichts der 41 Prozent unentschlossenen Wähler groß, rot-grüne Wechselwähler in nicht unerheblichem Maße nach Müllers rot-grüner Avance an die SPD abgeben zu müssen.

Es deutet vieles auf ein rot-rot-grünes Bündnis hin. Sicher würde Ramona Pop dann in den Senat gehen. Die Fraktionsspitze wird wohl auch weiterhin in einer Doppelbesetzung arbeiten. Und Flügelkämpfe wie 2011 sind nicht abzusehen. Die Parteilinke ist auf Regierungskurs und offenbar zufrieden mit der Wahlprognose. „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, hieß es am Sonntagabend aus der Partei. Die Verluste bei SPD und CDU seien deutlich stärker.

Ramona Pop fordert einen Neuanfang und einen anderen Politikstil. Ob sich die SPD darauf einlässt, wird man bei den Sondierungs- und Koalitionsgesprächen sehen. Nur die Augenhöhe dürfte sich zwischen SPD und Grünen deutlich verschieben.

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