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Berlin: Die gute Fee ist ein Mann

Von Deike Diening Raffaelle Sorrentino hat zwei Leben. Eines im Hotel Adlon, dort erfüllt er im Angesicht des Luxus als Chefconcierge Wünsche, und eines als Privatmann.

Von Deike Diening

Raffaelle Sorrentino hat zwei Leben. Eines im Hotel Adlon, dort erfüllt er im Angesicht des Luxus als Chefconcierge Wünsche, und eines als Privatmann. Wollte er beide Leben verbinden, verlöre er den Maßstab für sein eigenes. „Wissen Sie, wenn man ständig gelobt wird von den Gästen“, Sorrentino zögert, schlägt dann mit den Armen, „da kriegt man Flügel.“ Er lacht, er kommt aus Neapel. Der 38-Jährige ist auf der letzten ITB zum Weltbesten seiner Zunft geehrt worden. Er arbeitet in einem Beruf voller Mythen, zu dem es nicht mal eine Ausbildung gibt. Die Portiers aus Fünf-Sterne-Häusern sind im Verein „Die goldenen Schlüssel“ organisiert, der bis zum Sonntag sein Jahrestreffen – es fällt mit dem 50-jährigen Bestehens des Vereins zusammen – in Berlin feiert.

Wenn rund 200 aktive Mitglieder zusammentreffen, findet ein geballtes Wissen zusammen. Denn in der Portiersloge ist das große Hotel heruntergebrochen auf seine kleinste Einheit: den Menschen. Und der ist nicht zu unterschätzen. Im Idealfall ist dieser Mensch nämlich zum Concierge geboren. Und er hat, wie Sorrentino, Jahre damit verbracht, Charaktereigenschaften an sich zu pflegen, für die andere erst in der Bibel nachschlagen müssen. Allen voran Bescheidenheit, Zuverlässigkeit und Verschwiegenheit.

„Wir hören viel, wir sehen viel – aber das Wissen bleibt bei uns.“ Und plötzlich wird der Mann unersetzlich. „Es gibt Gäste, die gehen nicht in ein bestimmtes Hotel, sondern die wollen zu ,ihrem’ Portier,“ sagt Sorrentino. Den rufen sie im Notfall auch aus anderen Städten und anderen Hotels an. Und wenn der seine Stelle wechselt? „Dann geht der Gast mit.“

Luxushotels wissen, warum sie sich einen Concierge leisten. Er steht im Ruf, Wunder zu vollbringen. Das lässt sich nur mit Kontakten bewerkstelligen, die er in vielen Jahren aufgebaut hat: Sorrentino muss die Geschäfte selbst kennen, die er empfiehlt, er muss wissen, woher er nach Ladenschluss Dinge organisieren kann, Konzertkarten, Flugtickets.

„Am Anfang war es nicht leicht in Berlin“, sagt er, da ist er ziemlich viel spazieren gegangen. Gibt es auch absurde Wünsche? Da will ihm nichts einfallen. Wünsche dürfe man nicht als absurd empfinden: „Für den Gast ist es in dem Moment einfach ein Wunsch.“ Aber schwierige Wünsche, die gibt es. Vor ein paar Tagen sagte einer: „Ich muss in zwei Stunden in Prag sein.“ Linienflüge gab es keine mehr, Geld spielte keine Rolle, Sorrentino war sein Mann. Er hat ihm eine Privatmaschine organisiert. Und die 35 000 Euro hat der Gast dankbar bezahlt. Nur „illegale Wünsche erfülle ich nicht“, sagt er. Und mit Gästen ausgehen ist tabu. Die einzige Einladung, die er annahm, war zum 60. Geburtstag eines Mannes, der kannte ihn schon, als er mit 14 Jahren am Comer See im Grandhotel Villa d’Este als Page begann, „der hat mich wachsen sehen“, über die Stationen in St. Moritz, England, Paris, USA.

Als Sorrentino das Angebot aus Berlin bekam, da hatte er gerade in München ein Haus gebaut. „Das sind nur vier Wände“, sagte er da zu sich und seiner Frau, und nahm das Angebot an. Jeden Tag schreibt Sorrentino nun für sich eine kleine Anekdote des Tages auf. „Nichts Wichtiges, nette Begebenheiten“. Zwölf Kladden, eine pro Jahr, hat er gefüllt. Einige Menschen würden viel drum geben, da einmal nachzulesen.

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