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Berlin: Die Harke bleibt die beste Waffe

Erzwespen, Baumpflaster, Laubfegen – eine Studie zeigt, was gegen die Kastanien-Miniermotte hilft

Die Rettung der Kastanien ist Chefsache: Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) persönlich präsentierte gestern eine Studie von Pflanzenschutzamt und Technischer Universität. Mehr als drei Jahre lang haben sich die Institutionen mit der Frage befasst, wie sich die etwa 48 000 weiß blühenden Kastanienbäume in der Stadt vor den Miniermotten retten lassen, die Anfang der 90er Jahre aus Südosteuropa kamen und 1998 die Hauptstadt erreichten.

„Wir werden weiter fegen müssen“, resümierte die Senatorin. Dabei wurden chemische Keulen ebenso getestet wie allerlei Insekten, die die Mottenlarven fressen sollen. Das taten sie zwar auch, aber ihr Hunger war längst nicht so groß wie der Vermehrungsdrang der Motten. Diese überwintern im Laub – sofern es eben nicht weggeräumt und industriell bei Hitze kompostiert oder verbrannt wird. Ob der Winter kalt ist oder mild, spielt nach Auskunft von Studienleiterin Barbara Jäckel kaum eine Rolle, nur Temperaturen unter minus 20 Grad setzen den Larven zu. Die erste Mottengeneration des Jahres schlüpfe im Frühjahr, lege ihre Eier auf dem frischen Kastanienlaub ab. Die Larven fressen sich dann durch die Blätter – und erzeugen dabei die „Minen“, die das Laub spätestens im Sommer braun aussehen lassen.

Wo im Herbst gründlich gefegt wurde, seien im Frühjahr bis zu 82 Prozent weniger Motten unterwegs, berichtete die für die Versuchsreihen zuständige Mitarbeiterin des Pflanzenschutzamtes, Barbara Jäckel. In der zweiten Generation seien es immerhin noch 37 Prozent weniger; erst in der dritten Generation habe sich der Bestand wieder erholt.

Als wirksamste Ergänzung zum Laubfegen haben die Forscher eine von 21 Wespenarten entdeckt. Die winzige Erzwespe, die eher einer Obstfliege als den bekannten schwarz-gelben Brummern ähnelt, legt ihre Eier in die Mine. Wenig später frisst die Wespenlarve die Mottenlarve im Blatt auf. Die Wespe ist in Mitteleuropa heimisch und auch sonst harmlos, so dass ihre Vermehrung nicht schadet. Sie dezimiert den Mottenbestand auch bei anderen Baumarten. So gebe es auch an Linden und Robinien Miniermotten, aber nur sehr wenige, sagte Jäckel.

Die Forscher aus ihrem Team haben auch 16 chemische Wirkstoffe getestet, wobei sich das „Baumpflaster“ als effektiv erwies. Es ähnelt einem Paketklebeband und überträgt Wirkstoffe durch die Rinde in den Baum. Allerdings könne auch so der Mottenbefall nur leicht verringert werden – um Fegen käme man trotzdem nicht herum. Und die in anderen, weniger stark besiedelten Gegenden praktizierten Gift-Injektionen schaden nicht nur den Motten, sondern auch den Bäumen.

800 000 Euro von EU und Stadtentwicklungsverwaltung hat die Untersuchung gekostet. Jetzt werden privatwirtschaftliche Partner und Sponsoren für Erzwespenzucht und Pflasterherstellung gesucht. Am wichtigsten aber bleibt, dass die Berliner nicht die Lust am Fegen verlieren. Deshalb wurde zum Forschungsprojekt ein Kurzfilm produziert, der an Schulen verteilt werden soll – damit der Nachwuchs an fleißigen Fegern gesichert ist.

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