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Berlin: Die höchste Kunst der Ehe

Die Artisten Bellinda und Alois Traber heiraten heute auf einem Drahtseil 35 Meter über dem Brandenburger Tor

Vor drei Wochen erfuhr Paul Dölken, dass sich sein Wunsch erfüllen wird, den Silvesterabend nicht nur am sondern auch über dem Brandenburger Tor zu verbringen. „Mitgehangen, mitgefangen“ – die Floskel hat für den katholischen Pfarrer aus Karlsruhe einen höheren Sinn. Denn Dölken ist mit den Trabers befreundet. Und der 23-jährige Alois Traber will den Segen für die Ehe mit seiner Bellinda am gemeinsamen Arbeitsplatz bekommen: bei einem Drahtseilakt über der Quadriga, in 35 Metern Höhe, auf dem am Motorrad befestigten Trapez stehend. „Wenn ich mit aufs Seil müsste“, sagt der schwindelfreie Geistliche, „hätte ich wohl arge Bedenken.“ Aber er wird auf einer beweglichen Plattform dem Brautpaar entgegen schweben. Derartige Zeremonien hat Dölken schon oft erlebt. Einen Bruder von Alois traute er hoch über dem Deutschen Eck in Koblenz. „Mir ist daran gelegen, den Menschen dort zu begegnen, wo sie leben und arbeiten.“

Begegnet sind sich die Brautleute eher bodenständig. Es begann mit einer Sandkastenliebe in den 80er Jahren. Wenig später jedoch verloren sich die heute 22-jährige Tochter einer Münchener Schaustellerfamilie und der Spross der ältesten deutschen Hochseilakrobaten-Dynastie wegen der Tingelei ihrer Eltern wieder aus den Augen. Bellinda zog mit ihrer Familie von einem Engagement zum nächsten, vom Zirkus zur Kirmes zum Freizeitpark. Derweil absolvierte Alois eine Artistenschule, gelangte durch waghalsige Auftritte mit der Sieben-Mann-Pyramide der Traber-Show zu Weltruhm, schaffte sogar einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde und sammelte als Stuntman im James Bond-Film „Moonraker“ sogar Leinwanderfahrung.

Dann jedoch trafen sie sich im Herbst 2000 auf dem Oktoberfest wieder, verliebten sich erneut ineinander und beschlossen, fortan gemeinsame Wege zu gehen. Private, die jetzt in München standesamtlich besiegelt wurden, wie berufliche. Das zirzensische Paar präsentiert in luftiger Höhe und ohne Netz eine waghalsige Jonglage-Nummer. „Wer mit der Welt dieser Artisten nie in Berührung gekommen ist,“ sagt Pfarrer Dölken, „ahnt gar nicht, welch großen Stellenwert dort der Glaube hat.“ Bräutigam Alois erklärt es so: „Wenn ich im Handstand auf einem 30-Meter-Mast stehe, kann mir nur noch Gott helfen.“

Maren Sauer

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