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Berlin: Die in den 50ern verschwundene, mild-scharfe Delikatesse wird am Wochenende groß gefeiert

Bei solchen Referenzen dürfte eigentlich nichts schief gehen: Goethe schwärmte von einer Köstlichkeit, russische Zaren sollen sich beim Verspeisen mehrfach zufrieden den Bauch gestreichelt haben, Napoleon und die reichsten Kaufleute von Lissabon scheuten für die Delikatesse weder Mühen noch Kosten, und selbst der zu Goethes Zeiten amtierende Papst zeigte sich höchst entzückt: Das Teltower Rübchen war ein Begriff. Nun soll an diesem Wochenende die Wiedergeburt dieses kleinen Gemüses mit seiner einst berühmten mäßig milden Schärfe gefeiert werden.

Bei solchen Referenzen dürfte eigentlich nichts schief gehen: Goethe schwärmte von einer Köstlichkeit, russische Zaren sollen sich beim Verspeisen mehrfach zufrieden den Bauch gestreichelt haben, Napoleon und die reichsten Kaufleute von Lissabon scheuten für die Delikatesse weder Mühen noch Kosten, und selbst der zu Goethes Zeiten amtierende Papst zeigte sich höchst entzückt: Das Teltower Rübchen war ein Begriff. Nun soll an diesem Wochenende die Wiedergeburt dieses kleinen Gemüses mit seiner einst berühmten mäßig milden Schärfe gefeiert werden. Das an der südwestlichen Berliner Stadtgrenze gelegene Teltow lädt von heute bis zum Sonntag zum Altstadtfest rund um das Rübchen ein.

Agrarbetriebe, Restaurants, Hotels, Tourismusverein und Stadtverwaltung wollen möglichst viele Gäste für die wieder entdeckte Frucht begeistern. Rund ein halbes Jahrhundert war sie von den Speisezetteln verschwunden. Nach mehreren gescheiterten Anläufen nach der Wende will ein Förderverein nun den Durchbruch schaffen und das fast schon vergessene Teltower Rübchen als Zugpferd für die Region vermarkten. Die vielen Neugierigen bei der "Vorpremiere" auf der Grünen Woche in Berlin stimmen den Vereinsvorsitzenden Günter Duwe jedenfalls optimistisch.

Er hat in den vergangenen Jahren die durchaus bewegte Geschichte der kleinen Rübe zusammengetragen. Schon zur Landnahme der Bauern im 13. Jahrhundert soll sie bekannt gewesen sein. Der sandige Boden im Gebiet zwischen den Flüssen Dahme und Nuthe - Teltow genannt - bot den Pflanzen gute Bedingungen. Möglicherweise zogen die Zisterziensermönche die ersten Speiserüben aus der Erde. "Erste Nachrichten über einen recht verbreiteten Anbau gibt es aus der Zeit des Großen Kurfürsten", sagt Duwe. "Schon damals wurde eine besonders wohlschmeckende sehr kleine Rübe mit dem Namen der Stadt Teltow verbunden." Vor 300 Jahren begann also der Siegeszug der Delikattesse an die europäischen Königs-, Fürsten- und Zarenhöfe.

Johann Wolfgang von Goethe ließ sich die eigentümlichen Gewächse von seinem Berliner Freund Zelter über viele Jahre hinweg nach Weimar schicken. Seine Briefe an Zelter strotzen vor überschwänglicher Begeisterung: "...zu unserer Danknehmigkeit sind die köstlichen Rübchen angelangt; sie behaupten auch diesmal ihre alten Tugenden", schrieb er.

Ein Jahrhundert später kannte jede Berliner Hausfrau die kleinen kegelförmigen Rübchen aus Teltow. Im Herbst gelangte die Ernte gleich tonnenweise in die nahe Großstadt. Die Rüben sollen damals als Beilage zu jedem Weihnachtsbraten gehört haben. Trotz der beschwerlichen Pflege und Ernte - alte Fotos zeigen Frauen und Männer auf den Knien übers Feld rutschen - blieben die kleinen Exemplare eine Volksnahrung. Das vorläufige Ende kam erst Anfang der fünfziger Jahre mit dem nicht immer freiwilligen Zusammenschluss der Kleinbetriebe zu Genossenschaften. Der Aufwand erschien plötzlich im Verhältnis zum Ertrag als zu klein, so dass das Rübchen bald nur noch in Kleingärten zu finden war.

Das erklärt die Schwierigkeiten der Wiedergeburt nach der Wende. Es fehlten sowohl Erfahrungen als auch Samen. Die Lehr- und Versuchsanstalt in Großbeeren startete Experimente mit Sorten aus verschiedenen Gegenden Deutschlands, Großbritannien, Frankreich und aus Teltower Restbeständen. Auf Feldern der Agrargenossenschaft Trebbin begann der Anbau. Allein schon diese Nachricht verführte einige Restaurantchefs der Umgebung zum Druck großer Plakate und Karten mit der Anpreisung von Teltower Rübchen. Doch das Vorhaben in Trebbin misslang. Um die neugierigen Restaurantgäste jedoch nicht zu enttäuschen, mussten Rübchen aus Frankreich beschafft werden. Napoleons Truppen hatten einige Pflanzen 1813 mit nach Hause genommen.

Heute wächst die Frucht wieder auf einer insgesamt 50 Hektar großen Fläche. Um nicht in solche Schwierigkeiten wie die Spreewälder Gurkenbauern zu geraten, ist das Warenzeichen "Teltower Rübchen" geschützt worden. Nur Früchte aus dem Großraum Teltow, der bis nach Beelitz, Zehlendorf und Ludwigsfelde reicht, dürfen demnach den Namen tragen. Ob sich der Aufwand der vergangenen fünf Jahre wirklich gelohnt hat, wird sich zuerst bei den Verkostungen auf dem Fest am Wochenende zeigen. Bei entsprechender Resonanz wird die Anbaufläche vergrößert.Die erste Teltower Rübchenernte wird heute um 17 Uhr auf dem Obst- und Gemüsehof Szilleweit in der Ruhlsdorfer Straße 74 gefeiert. Um 18.30 Uhr eröffnet der Bürgermeister mit dem Bieranstich auf der Hauptbühne das Altstadtfest. Danach tritt Frank Schöbel auf. Am Sonnabend und Sonntag beginnen Markttreiben und Unterhaltungen um 10 Uhr. Der Stand des Rübchenvereins befindet sich neben der Haupttribüne.

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