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Berlin: Die indonesischen Zwillinge spielen vierhändig Klavier

Shanti heißt Frieden und Shanti heißt eine der Zwillinge. Fünf Minuten war ihr Vorsprung.

Shanti heißt Frieden und Shanti heißt eine der Zwillinge. Fünf Minuten war ihr Vorsprung. "Ich habe sie rausgekickt", sagt grinsend Sonja die Zweitgeborene des indonesischen Duos. Diesen Vorsprung hat sie längst aufgeholt. Denn meist ist sie es, die das Wort ergreift. Doch darauf kommt es gar nicht an. "Wir denken gleich, nur zeitversetzt", sprudelt es aus beiden heraus.

Seit neun Jahren leben die Frauen aus Jakarta in Berlin. Sie teilen sich das Schlafzimmer, die Freunde und vor allem ihre größte Leidenschaft - das Klavierspielen. Nur Männer nicht - das ist tabu. "Wenn uns der gleiche Typ gefällt, entscheiden wir, wem er wichtiger ist." Im Alltag versuchen sie, ihre Ähnlichkeit zumindest äußerlich zu kaschieren. Beim Vorspielen an der Universität der Künste (Udk) trägt die eine Schwarz, die andere Türkis. Doch ihre Hände bewegen sich im gleichen Takt, zur gleichen Musik: Raimo Kangro, "Klimper", Sonate Opus 20, Nummer 4. Sie sitzen sich gegenüber an zwei Flügeln. Ein kurzer Blick und die andere weiß, wann ihr Einsatz gekommen ist.

Bei musikalischen Wettbewerben geben sie nur einen Lebenslauf ab, ihr nächstes Diplomzeugnis wird aus einem einzigen Blatt Papier bestehen: für ein Aufbaustudium, was es so bisher an der Udk nicht gab und extra für die Zwillinge geschaffen wurde - instrumentales Hauptfach Klavier als Duo. Ihr Professor hatte während ihres ersten Diplomstudiengangs Musikpädagogik, das sie im Frühjahr mit "sehr gut" bestanden hatten, bereits erkannt, dass die beiden getrennt nur halb so gut sind wie zusammen. Anfangs zierten sie sich ein wenig, ihre Karriere als Duo aufzubauen, bis sie merkten, dass es ihnen genau entspricht. "Als Zwilling hat man nie das Gefühl, alleine zu sein", sagt Shanti. Ihre Schwester als Konkurrentin zu sehen, käme ihr nicht in den Sinn. Auch Sonja ist froh: "Je größer die Karriere, umso einsamer ist man". Dass es überhaupt soweit kommt, hätten sie nicht gedacht. "Wir waren keine Wunderkinder", sagt Sonja. Keine hatte eine Pianistenkarriere geplant. Sie kamen eher zufällig dazu. "Wenn Eltern Wünsche haben, die sie nicht erfüllen können, übertragen sie diese auf ihre Kinder", sagt Shanti. Die ersten Tonleitern und kleine Stücke brachte ihnen ihre Mutter bei. Damals waren sie fünf Jahre alt. Zwei Jahre später wurde eine Klavierlehrerin engagiert. Doch schon mit zwölf Jahren hörten sie auf zu üben und rührten kein Klavier mehr an bis sie 18 waren.

Nach dem Abitur wollten sie getrennte Wege gehen, aber es sollte ihnen nicht gelingen. Ihr Vater war krank und konnte ihnen kein Studium an Asiens Privatunis, die in Dollar bezahlt werden, finanzieren. Also entschlossen sie sich, zu Maria, ihrer großen Schwester nach Berlin zu ziehen, die sie unterstützen sollte. Zunächst studierte Sonja Germanistik und Japanologie, Shanti Publizistik und Anglistik. Sie schlugen sich mit Jobs durch und erkundigten sich an der Udk nach Klavierunterricht, wo heute ihre Konzertplakate aushängen und alle ihnen im Flur zulächeln.

Eine Kombination aus Zufall, Engagement und Fleiß, wie ihr Professor Sorin Enachescu meint: "99 Prozent ist Transpiration und ein Prozent Inspiration". Anfangs hatte er nicht geglaubt, dass Sonja und Shanti über ein Mittelmaß hinauskommen würden: "Sie mussten viel nachholen und Känguruhsprünge machen". Dann reicht Sonja ihrer Schwester ein Taschentuch, um sich die Hände zu trocknen, und sie setzen zum nächsten Stück an.

Julia Rehder

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