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Berlin: Die jungen Wilden

Jugendverbände sind der Stachel im Fleisch der Parteien – und sie kämpfen mit

Jusos (SPD): Es ist zwei Uhr morgens am Boxhagener Platz in Friedrichshain. Die Jusos machen Wahlkampf in ihrer eigenen Szenebar – mit DJ und Großbildleinwand. Damit leisten sie sich die wohl teuerste Kampagne aller politischen Jugendverbände in Berlin. Mit rund 3500 Mitgliedern sind sie der größte Verband der Stadt. „Linker als die SPD“ beschreibt Landessekretär Emanuel Höger die Agenda der Jungsozialisten. So protestierten die Jusos gegen die Hartz-IV-Beschlüsse der SPD und die Kriegseinsätze der Bundeswehr. Die Themenschwerpunkte: Antifaschismus, Gleichstellung von Mann und Frau und soziale Wirtschafts- und Arbeitspolitik.

Junge Union (CDU): Die meisten anderen Jugendverbände mögen sie nicht. „Die sind doch noch rechter als die CDU“, sagt ein Juso-Mitglied. Das liegt wohl auch an den Positionen: Als einziger Jugendverband ist die Junge Union gegen die Homo-Ehe und die Legalisierung von Haschisch. Doch einsam fühlen müssen sich die jungen Christdemokraten nicht. Nach eigenen Angaben ist die JU deutschlandweit der größte Verband, in Berlin gibt es rund 3000 Mitglieder. „Mutigere und drastischere Schritte“ fordere man von der CDU bei der Reformierung der sozialen Sicherungssysteme, so Landesgeschäftsführer Christian Wohlrabe. Die Themenschwerpunkte heißen Sozialreformen und die „Erinnerung an die sozialistische Diktatur in der DDR“.

Grüne Jugend (Bündnis 90/Die Grünen): Sie sind die Jüngsten im Bunde. Kann man in anderen Jugendverbänden bis zum Alter von 35 Jahren bleiben, ist bei der Grünen Jugend mit 28 Schluss. Rund 350 Berliner sind dort Mitglied. Am Hermannplatz in Neukölln sitzt ein junger Grüner im Sträflingskostüm. Um sein Bein liegt eine Metallkette. „Lass dich nicht ausbeuten“, skandiert er und fordert bessere Bedingungen für Praktikanten und Azubis. „Ihr seid auch für Hartz IV gewesen“, schreit ein Mann – ein Vorwurf, den man hier oft hört. Die Jungpolitiker versuchen dann zu erklären, dass auch sie gegen die Sozialkürzungen waren. Schwerpunktthemen der Grünen Jugend: Atomausstieg, erneuerbare Energien, Legalisierung von Drogen und die Gleichstellung von Mann und Frau.

„solid“ und PDS-Jugend (Linkspartei.PDS): Die PDS hat gleich zwei Jugendorganisationen. Als sich ein Teil des PDS-Nachwuchses im Jugendverband „solid“ nicht mehr gut aufgehoben fühlte, gründete er die PDS-Jugend. Der Verband steht der Partei strukturell näher als „solid“ und sieht sich durchaus als Kaderschmiede. „solid“ besteht auf seiner Eigenständigkeit. Im Wahlkampf steht die PDS-Jugend an der Seite der Mutterpartei, „solid“ kämpft alleine. „Mauerbauer, rote Säue“, höre man oft, wenn man in Westberlin Wahlkampf mache, sagt Arne Brix von „solid“. Beide Verbände sehen sich aber nicht als SED-Nachfolger. „Wir haben kein besonders gutes Verhältnis zur DDR“, sagt Mark Seibert, Vorsitzender der PDS-Jugend Berlin. Themenschwerpunkte der PDS-Verbände: Sozial- und Bildungspolitik.

Junge Liberale (FDP): Irgendwie stehen die Jungen Liberalen (Julis) zwischen den Fronten. Beim Christopher Street Day und der Hanf-Parade machen die rund 350 Berliner gemeinsame Sache mit den linken Jugendverbänden. Sie unterstützen die Homo-Ehe und die Legalisierung von weichen Drogen. Ihre Wirtschaftspolitik hingegen ist alles andere als links. Hier gehen sie auf Schmusekurs mit der Jungen Union. Bei ihrer Aktion gegen biometrische Daten im Pass in Kreuzberg bleiben nur wenige Passanten stehen. „Das ist hier der Ströbele-Bezirk“, sagt Christoph Paun von den Julis. „In Charlottenburg ist das anders.“

Die ganz schweren Wahlkampfzeiten haben die Julis hinter sich. Im Wahlkampf 2002 schwang Jürgen Möllemann antisemitische Parolen. „Da wurden wir in Friedrichshain sogar angespuckt“, sagt Paun.

Benjamin Hammer

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