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Berlin: Die Kammer des Schreckens

Die Staatsanwaltschaft hortet in einer alten Halle Material, um den Bankgesellschaftsskandal aufzuklären. Und scheitert an der schieren Menge

Die alte Kleiderkammer auf dem Gelände der Polizeidirektion 5, ein großer derber Verwahrraum, wird vielleicht eines Tages mit einer Gedenktafel gewürdigt: „Hier wurde der Berliner Bankenskandal aufgearbeitet“. Es kann aber auch sein, dass man jede Erinnerung an die langen Jahre des Aktenstudiums und Indizienkettenschmiedens schamvoll verdrängen wird. Der Ausgang der Ermittlungen „ist ungewiss“, sagt Oberstaatsanwalt Bernhard Brocher. Ungewiss ist, in welchen Fällen Anklage erhoben wird. Sehr ungewiss ist, ob jemals ein Bankmanager rechtskräftig verurteilt werden kann. „Wir suchen erst einmal die Tat, nicht den Täter“, sagt der Leiter der Ermittlungsgruppe Bankgesellschaft, Claus-Peter Wulff. Als Taten kommen meist Untreue oder Betrug in Frage. Es geht um die Geschäfte der Bankgesellschaft mit Immobilien, die dem Land Berlin Milliardenlöcher in den Haushalt rissen, die am Ende der Steuerzahler zu füllen hat.

Die Kleiderkammer hat etwa die Ausmaße eines Tanzsaales und heißt offiziell „Großraumbüro“ der „Ermittlungsgruppe Bankgesellschaft“. 13 Staatsanwälte, 19 Kriminalbeamte und etliche Wirtschaftsreferenten sitzen an einer langen Schreibtischreihe an Computern und brüten über Gesellschaftsverflechtungen, Wertgutachten und Geldtransfers. Zwei Drittel des Raumes nehmen die BMOs ein, die „Beweismittelordner“. 4800 von ihnen lagern auf den Eisenregalen, neu beschriftet und durchnummeriert. 1000 Ordner sind bereits bei Gericht. Bieder und nüchtern lesen sich die Titel auf den Aktenrücken: „Hr. Dr. Neuling. Schriftwechsel“, „Aubitec. Genolite“, „Leerstandsquoten“.

Anderthalb Jahre hat es gedauert, den Inhalt der Ordner zu sichten und in einer Datenbank zusammenzufassen. Die größten Datenmengen aus der Bankgesellschaft – rund vier Millionen Dateien – sind in einem Großrechner gespeichert, an den alle Mitarbeiter angeschlossen sind. Für den dicken Strang bunter Datenleitungen wurden unter der Decke einfach große Löcher in die Wände geschlagen. Da ist man hier nicht zimperlich.

Der Ermittlungs-Komplex Bankgesellschaft sprengt alle bisher bekannten Dimensionen. Noch nie arbeiteten so viele Ermittler so lange an der Aufklärung eines so großen Unternehmens. Wobei Aufklären die falsche Vokabel ist. Es werden lediglich „Ermittlungsschneisen“ in den Dschungel Bankgesellschaft geschlagen. Ob man auf diesen Schneisen auf strafrechtlich relevante Handlungen stößt, ist eine Frage der richtigen Spürnase. Nur drei Immobilienfonds werden derzeit genauer untersucht. Innerhalb dieser Fonds konzentriert man sich auf besonders riskante Anlageobjekte. Sonst würden die Ermittler in den Akten versinken. Zu einem Immobilienfonds existieren nach Aussage der Staatsanwälte rund 6000 Aktenordner an verschiedenen Orten in Deutschland. Selbst die Bank- Sachbearbeiter hätten pro Fonds nur mit einem Zehntel an Unterlagen gerechnet. Schon bei der Beschlagnahme brauchten die Beamten ein genaues Konzept, nach welchen Stichwörtern sie fahnden. Wulff: „Wir wissen nicht, ob unser Konzept auch aufgeht.“

Ermittelt wird nur gegen die „erste Garnitur“ von Bankmanagern, also Vorstandsmitglieder, Aufsichtsräte und Mitglieder im Kreditausschuss. Ihnen versuchen die Staatsanwälte nachzuweisen, dass sie zu hohe Kreditrisiken eingegangen sind, unrentable Immobilien in die Gesellschaften geschoben oder die Bilanzen der Bank gefälscht haben.

Indizien dafür gibt es genug, nur muss auch bewiesen werden, dass Manager und Aufsichtsräte genau wussten, was sie taten. Und das ist bei einem Haus mit 16 000 Mitarbeitern schwierig. Trotz der Aktenmassen, die einzelnen Transaktionen vorausgingen – Gutachten, Bewertungen, Analysen, Vermerke, Stellungnahmen – kam im Vorstand oft nur eine Seite als Beschlussvorlage an.

„Nur ein ganz kleiner Teil der Entscheidungen kann strafrechtlich verfolgt werden“, sagt Brocher. Und: „Es ist nicht alles Unsinn, was gemacht wurde.“ Sein Kollege Björn Kelpin, der mit seinem Team den Fonds „LBB 12“ mit 4000 Plattenbauwohnungen in den neuen Bundesländern aus dem Bestand der Firma Aubis durchleuchtet, spricht von „hochkomplexen“ Vorgängen, die oft auf mündlichen Absprachen beruhten. In den Unterlagen verwandelten sich diese Absprachen in Zahlenreihen und stilisierte Erklärformeln. „Die Leute haben genau gewusst, wie sie es aufschreiben müssen.“ Brocher spricht von „jeder Menge intelligenter Lösungen“.

Von 124 Ermittlungsverfahren sind inzwischen 76 erledigt. 58 Verfahren wurden eingestellt, einige an andere Staatsanwaltschaften abgegeben. Nur in sieben Fällen kam es bisher zur Anklage. Am 2. März beginnt der Prozess gegen die Aubis-Manager Wienhold und Neuling. Sie hatten den Skandal mit einer 40 000-Mark-Spende an die CDU ins Rollen gebracht.

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