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Berlin: Die Kehrseite des Platzes

Pro & Contra: Soll der Straßentunnel zugeschüttet werden, damit der Breitscheidplatz freundlicher wird? 

Im November sind’s sechs Jahre, seitdem der Vorschlag zum ersten Mal öffentlich gemacht und diskutiert wurde: Der Breitscheidplatz soll eine Fassung erhalten, eine Platzkante auch an der Nordseite. Dazu sei der Tunnel der Budapester Straße zu schließen, um den Platz an das hinter der Straßen-Schlucht gelegene Bikini-Haus anzubinden. So sah es das „Planwerk Innenstadt“ vor, das Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und sein Staatssekretär Hans Stimmann 1996 vorstellten. So wollten es auch die Anrainer des Platzes, insbesondere die Besitzer des Bikini-Hauses. Selbst Strieders damaliger Gegner, CDU-Bausenator Jürgen Klemann, hieß den Plan gut und machte ihn 1999 zur Vorgabe eines Wettbewerbs zur Neugestaltung des Platzes. Dessen Ergebnis wurde im April 2000 vorgestellt. Der Tunnel sollte bereits 2001 verschwinden; später hieß es: 2002.

Typisches Berliner Tempo. Aber immerhin: Am 2. September wollen sich die Abteilungen Hoch- und Tiefbau von Strieders Behörde zusammensetzen und berechnen, welche Kosten mit der Tunnelschließung auf das Land zukommen. Dies kündigte Petra Reetz, Strieders Sprecherin, jetzt an. Zwar werden die Investoren in der Umgebung des Breitscheidplatzes – darunter die Bayerische Immobilien AG als neue Besitzerin des Bikini-Hauses, Ebertz & Partner für das „Zoo-Fenster“ und eine Commerzbank-Tochter, die auf dem Grundstück des Schimmelpfeng-Hauses ein weiteres Hochhaus errichten will – die Kosten der reinen Überdeckung des Tunnels übernehmen: 700 000 Euro, so Reetz. Doch den Bau der eigentlichen Fahrbahn auf dem Tunneldeckel müsste Berlin ebenso zahlen, wie die Beseitigung des betonumwehrten „Hochbeetes“ längs des Tunnels und die Neugestaltung dieses Streifens. Zeitweise wurde auch über ein tatsächliches Zuschütten nachgedacht, also ein Verfüllen der Senke, in der die Fahrspuren der Budapester in Richtung Osten verlaufen. Aus Kostengründen ist inzwischen nur noch die Deckelung geplant; und auch Ideen, in dem Hohlraum eine Disko oder eine Tiefgarage einzurichten, sind längst zu den Akten gelegt. An der Schließung des Tunnels aber hält Strieders Verwaltung fest. Seine Funktion hat das 1960 freigegebene Bauwerk – eigentlich eine Unterführung – schon lange verloren. Aus der Verbindungsstraße vom Ku’damm/Tauentzien zur Budapester sollte man in deren Fahrspuren Richtung Westen abbiegen können, ohne die in Richtung Osten kreuzen zu müssen. Doch 1980 wurde diese Verbindungsstraße geschlossen und der Platz vorm Europa-Center zur Fußgängerzone gemacht. Der Tunnel und die Tröge des Hochbeetes aber „kappen das Bikini-Haus optisch ab“, sagt Reetz.

Was städtebaulich den Platz seiner Kante beraubt, hat aber auch psychologische, und damit ökonomische Auswirkungen: „Fragen Sie mal einen Marketing-Fachmann: Die Menschen müssen die Geschäfte auf der anderen Straßenseite sehen können, um hinüber zu wechseln“, sagt Reetz. Mit der Barriere aber sei die Bikini-Haus-Seite des Platzes „immer nur das Stiefkind“ gewesen. Ähnlich hatten bereits 1996 die Autoren des „Planwerks“ geschrieben, dass sich „der städtische Energiefluss bisher nur auf der Südseite des Breitscheidplatzes bewegt“, auf der Ku’damm/Tauentzien-Seite nämlich. Während die Geschäfte dort gehobenen Bedarf befriedigen, warten in der Budapester vor allem Ramsch- und Touri-Läden auf Kunden. Zwar würde die Straße zu ebener Erde nicht schmaler als jetzt. Aber mit dem geplanten Mittelstreifen hätten Fußgänger mehr Möglichkeiten sie zu überqueren, als nur an den beiden Ampeln vor und über dem Tunnel. Holger Wild

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