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Berlin: Die Koalition der Verlierer wird Berlin auf Dauer nicht regieren können

Der SPD fehlt der Mut, mit den Grünen die Zukunft der Stadt zu gestalten Von Volker Ratzmann

Die Wowereit/Müller-SPD hat ein Rot-Grünes Bündnis ausgeschlagen und damit die Chance verspielt, nach fünf Jahren „Sparen bis es quietscht“ einen neuen Aufbruch in Berlin zu wagen. Berlin ist jung und kreativ, die Aufbruchstimmung war da. Das hat sich im Wahlergebnis manifestiert: dramatische Verluste für die PDS, Stillstand für die SPD, deutliche Zuwächse für Bündnis90/Die Grünen gleichermaßen in Ost und West und insbesondere bei den 25- bis 50- Jährigen. 45 Prozent der Wähler wollen eine rot-grüne Regierung. Es ist ein neu entstandenes, modernes, großstädtisches Bürgertum, das SPD wie Grüne gleichermaßen repräsentieren, Leistungsträger in Ost und West, die diesen Aufbruch wollen. Diejenigen, die unter Mentalitätswechsel mehr verstehen als das klaglose Hinnehmen von Ausgabenkürzungen, die, die sich auch unter harten Konsolidierungsbedingungen vorstellen können, die Stadt für die Zukunft mit umzugestalten. Ihnen eine Perspektive anzubieten, sie zu motivieren und einzubinden, darin läge die Gestaltungskraft von Rot-Grün. Wowereit und Müller haben sich für ein „Weiter so“ mit Rot-Rot entschieden. Sie wollen den abgewählten rot-roten Sparkurs fortsetzen – nichts anderes haben sie uns in den Sondierungen verdeutlicht. Ihr Ziel ist es, die PDS damit weiter in die Knie zu zwingen und der SPD die Konkurrenz vom Hals zu schaffen. Das ist Wowereit und Müller wichtiger als die Zukunft der Stadt.

Deshalb wird diese rot-rote Koalition der Verlierer strukturell konservativ sein. Sie kann nur das Bestehende verteidigen, kann nicht abrücken vom alten Denken. Gezielte Investitionen für mehr Einnahmen statt mit dem Rasenmäher weiter die Ausgaben zu kürzen, ist für Rot-Rot nicht denkbar. Berlin erwartet 2,4 Milliarden Euro Mehreinnahmen, insbesondere aus der erhöhten Mehrwertsteuer. Statt einen Teil davon der Stadt zurückzugeben und in die Zukunft der Kinder zu investieren, sollen sie vollständig der Schuldentilgung dienen. Unter Rot-Grün wären damit Schulen saniert und junge Lehrer eingestellt worden. Es würde mehr Ganztagsbetreuung geben, weniger Unterrichtsausfall und gezielte Sprachförderung bereits in der Kita. In den nächsten Jahren werden aufgrund des Schülerrückgangs 1800 Lehrerstellen nicht mehr benötigt. 400 davon hätten wir dafür behalten. Das alles muss jetzt passieren, nicht erst, wenn sich in einigen Jahren finanzielle Freiräume ergeben. Rot-Grün hätte das Nötige sofort finanziert. Es wird sich später auszahlen. Rot-Rot kann das nicht umsetzen. Die Schulverwaltung ist zu stark mit der SPD verwoben, mit der Bildungsgewerkschaft GEW legt man sich nicht an.

Die BVG bekommt 450 Millionen Euro pro Jahr und hat fast eine Milliarde Schulden. Rot-Rot ist aus ideologischen Gründen nicht bereit, kostensparende Veränderungen und Transparenz durchzusetzen, um Geld für bessere Bildung freizuschaufeln. Für uns ist Mobilität ein Grundrecht. Für Rot-Rot steht die Unveränderbarkeit des Staatsbetriebes an erster Stelle. Unter Rot-Grün hätte es statt Fahrpreiserhöhungen einen Verkehrsvertrag mit der BVG gegeben, der das Unternehmen zur Offenlegung seiner Kostenstruktur zwingt, der Zuschüsse und Prämien für die Geschäftsführung davon abhängig macht, dass das Angebot und Preise stabil bleiben und der den Beschäftigten offenlegt wie ihr Gehaltsverzicht verwendet wird – für die Bildung ihrer Kinder.

Und wir wären nicht bereit gewesen mehr als 20 000 weitere Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst ohne tatsächliche Entbürokratisierung abzubauen, um das Auslaufen des Solidarpaktes im Jahre 2009 finanziell aufzufangen. Rot-Rot wird keine Stelle neu besetzen, wird die Berliner Verwaltung in die Überalterung treiben, um Personalmittel zu sparen. Mit uns hätte es mehr Geld für die unteren Gehaltsgruppen gegeben, die oberen hätten weiter weniger gearbeitet und dafür weniger Geld bekommen. Dafür hätten wir wieder junge Menschen für den öffentlichen Dienst eingestellt.

Und wir hätten etwas gegen die Klimakatastrophe getan und uns dafür auch mit Vattenfall angelegt, um umweltschonenden Energien in Berlin den Vorrang zu geben. Dafür braucht man Phantasie und den Mut, den hat die SPD nicht. Auf Dauer wird die Koalition der Verlierer die Hauptstadt nicht regieren können.

Der Autor ist Fraktionschef von Bündnis 90/Grüne im Abgeordnetenhaus.

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