zum Hauptinhalt

Berlin: Die Krone der Bohne Einfach raffiniert

Grüne Schoten und Co.: Meisterkoch Thomas Kammeier macht dem Müritz-Lamm das Lotterbett – aus dreierlei Sorten Hülsenfrucht und zweierlei Sauce. Ein Klassiker – ganz lässig inszeniert

Die Möglichkeiten der Küche sind vielfältig. Eventualitäten indessen bergen Gefahren: Sie können dazu verleiten, uferlos zu agieren oder aber, das Heil in der Konvention zu suchen. Wirklich die Mitte zu finden im kulinarischen Geschehen und sie dauerhaft zu besetzen, ist kein Leichtes. Dem Küchenchef des „Hugos“ im Hotel Intercontinental gelingt das offenbar problemlos. Doch Thomas Kammeier gibt sich viel Mühe, bevor er auch nur einen gängigen Lammrücken auf die leichte Schulter nehmen würde. Überdies wirken der letztjährige Umzug in den 14.Stock des Hochhauses am Rande des Tiergartens sowie die Umbenennung des Restaurants „Hugenotten“ in ein smartes „Hugos“ weiter befreiend und stimulierend auf ihn.

Schöne Aussichten, ganz gewiss. Während der Blick durch die breite Glasfront des Restaurants über die letzten Ausläufer des alten Westens, die grünen Wipfel des preußischen Landschaftsparks hin zum betonierten Bundeskanzleramt schweift, zur weit über die Dächer von Mitte hinausragenden Charité und schließlich zum Fernsehturm am Alexanderplatz, kümmert sich der Service unter Leitung des umsichtigen Maître Olaf Rohde mit Eifer um seine Gäste. Zur gleichen Zeit schuften Kammeier und seine Crew am Herd. Die Mittelmeergarnele in buttriger Vichychoise mit passierten Kartoffeln und gebratenen Kopfsalatherzen nimmt dabei Gestalt an, ebenso die Jakobsmuscheln in Brunnenkresse-Tomatendressing auf außergewöhnlicher Fenchel-Brandade.

Wenn schließlich die in konzentriertem Jus förmlich badenden Ochsenbacken mit Schnittlauchpüree, Rotweinschalotten und Pfifferlingen „durch“ sind und die Desserts ebenfalls, tritt der diesjährige Berliner Meisterkoch, dem man die vorherigen Strapazen kaum anmerkt, zu seinen Gästen wie ein Theaterdirektor vor den Vorhang. Nicht um Huldigungen entgegenzunehmen, sondern um ein Gespür für die Wünsche des Publikums zu bekommen.

Welcher Konfession folgt eigentlich Kammeier? Die Frage hat nichts Religiöses an sich, sondern zielt lediglich auf die Wirklichkeit des Tellers. Als Mann von Überzeugung besitzt er ein zugleich nüchternes wie leidenschaftliches Verhältnis zu ihr. Deshalb brauchte es eine gute Weile, bis er sich seinem Beruf endgültig verschrieb. Ursprünglich beabsichtigte er, Konditor zu werden und absolvierte erst einmal eine Bäckerlehre, bevor er im Jahr 1988 mit der Ausbildung bei seinem Mentor Wolfgang Dubs in dessen „Rotisserie“ zu Worms-Rheindürkheim die Seiten wechselte. „Ich fand ihn faszinierend als gnadenlosen Koch, Gastgeber, Weinkenner – und vor allem als jemanden, der mir gezeigt hat, was man aus dieser Profession machen kann“, sagt Kammeier respektvoll. „Dubs gehört zu den alten Recken, die der neuen deutschen Küche ihren Stempel aufgedrückt haben.“ Gerade auch die Chuzpe, Fisch mit Fleisch zu kombinieren, hat ihn tief beeindruckt.

Anschließend ging es quer durch die besternten Stationen der Republik. Meistern wie Schermbeck, Scherrer und Wiesenfeldt etwas zu verdanken, füllt ihn aus und befördert seine Inspiration noch heute. Gelegentlich trägt auch der finnische Komponist Jan Sibelius zu ihr bei: „Bei seinem Violinkonzert kann ich mich sofort total entspannen.“

Der Anstoß zu Kammeiers Idee, Lamm gleich mit drei verschiedenen Bohnensorten zu kombinieren, kam durch das einzigartige Fleisch des Hofes Müritz, das den ausdrucksvollen Hülsenfrüchten urtümliche Animalität entgegenhalten kann. Wer dort nicht einkaufen kann: Im KaDeWe zum Beispiel wird ein annähernd gleichwertiges Bio-Produkt an der Fleischtheke angeboten.

„Hugos“ im Hotel Intercontinental, Tiergarten, Budapester Str. 2, Tel.

2602-1263 (Mo. bis Sa. ab 18 Uhr).

Am Mittwoch lesen Sie die achte und letzte Folge unserer Serie – mit KaDeWe-Küchenchef Dieter Schiffer.

HEUTE: Thomas Kammeier vom

„Hugos“ im Hotel Intercontinental

An seine Lehrmeister denkt der Meisterkoch mit Respekt. Sie inspirieren ihn – wie die Musik des Finnen Jan Sibelius. Thomas Kammeier inszeniert Klassiker neu: etwa Lamm mit Bohnen. Das grüne Motiv liegt heute als Küchenposter bei.

Thomas Platt (Texte), Kai-Uwe Heinrich (Fotos)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false