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Berlin: Die Kultur der Macht (Kommentar)

Das System Diepgen kreißte in diesen Tagen und gebar - nein, keine Maus! Christoph Stölzl, der designierte Kultur- und Wissenschaftssenator, ist ein respektabler Mann.

Das System Diepgen kreißte in diesen Tagen und gebar - nein, keine Maus! Christoph Stölzl, der designierte Kultur- und Wissenschaftssenator, ist ein respektabler Mann. Der Regierende Bürgermeister, der viel Porzellan zerschlagen hat in der Kulturszene, hat eine Wahl getroffen, die er nicht hatte: Im Grunde blieb ihm nach dem krachenden Rückzug Christa Thobens kein anderer Weg aus der Misere, als Stölzl diesen Posten anzutragen. Er war zuletzt ohne Konkurrenz: Niemand wollte das Amt des Kultursenators in der Hauptstadt und Kulturmetropole geschenkt haben. Das lässt tief blicken - in das System Diepgen. Es ist zynisch, wenn Klaus Landowsky, der CDU-Fraktionsvorsitzende, am Ende dieser turbulenten und blamablen Woche sagt, Stölzl sei der richtige Mann zur richtigen Zeit.

Bereits im vergangenen Herbst gehörte der frühere Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums Berlin zu den Kandidaten, wie auch Wolf Lepenies, der Rektor des Wissenschaftskollegs. Diepgen entschied damals anders. Er wollte eine Persönlichkeit, die nicht verbandelt ist mit den Berliner Interessensphären. Und er glaubte, dass er mit einer ausgewiesenenen Ökonomin und Managerin wie Christa Thoben die Probleme der Hauptstadtkultur in den Griff bekäme. Diepgen wollte Ruhe. Und er bekam einen Riesenkrach. Thoben kam, las die Zahlen und warf hin. Ihre haushälterische Kompetenz wurde ihr schnell zum Verhängnis. Von Kultur verstand sie wenig. Auch das hat sich gerächt.

Jetzt hat Diepgen eine komplette Kehrtwendung vollzogen und seinen Offenbarungseid geleistet. Christoph Stölzl, der neue Mann, kommt aus der Berliner Szene. Stölzl genießt den Ruf eines fantasiebegabten, wendigen, in die Kunst und sich selbst verliebten Konservativen. Es drängt ihn zum öffentlichen Auftritt, den Disput scheut er nie. Ein Kommunikator, gewiss. Aber über seine organisatorischen Fähigkeiten, seine Rechenkünste weiß man wenig. Als Chef des bundesunmittelbaren Museums Unter den Linden hat er die finanziellen Bedrängnisse der Berliner Kulturinstitutionen nicht unmittelbar erlebt. Dass die Berliner Intendanten seine Nominierung befördert haben und nachgerade bejubeln, darf nicht wundern. Denn in Stölzl sehen sie einen Partner, der ihnen auf Augenhöhe gegenübersteht.

Der Regierende Bürgermeister spielt Berliner Roulette. Eine eindeutige Haltung zur Kultur war bei ihm bislang nicht zu erkennen. Noch in dieser Woche hat er unmissverständlich erklärt, der Kulturetat werde auf keinen Fall ausgestockt. Genau dies aber wird - muss - sich Stölzl ausbedungen haben. Sonst wäre er gewiss auf seinem angenehmen Posten bei der "Welt" geblieben. Es ist nicht vorstellbar, dass Stölzl als Abwickler und Konkursverwalter Diepgens und Radunskis antritt. Wie aber kann Diepgen derart schnell seine verhärtete Position zum Kulturetat aufgeben, und woher zaubert er die (geschätzen) 50 bis 100 Millionen Mark?

Aus der Bundeskasse womöglich? Der Bund soll zahlen für die Hauptstadtkultur und sich nicht weiter einmischen. Auch das hat Diepgen in einem derart rüden Ton gesagt, dass man den Eindruck gewinnen musste, er wolle gar keine zusätzlichen Bundesmittel. Stölzls Mission scheint in dieser Frage besonders delikat. Er hat es lange nicht verwinden können, dass Kulturstaatsminister Michael Naumann ihm den Weg an die Spitze der Stiftung Preußischer Kulturbesitz verbaute. Naumann ist jetzt sein wichtigster Partner. Auch da kann man sagen: Sie begegnen sich auf Augenhöhe. Aber was tun sie dann?

Rüdiger Schaper

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