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Berlin: Die Kunst der Verkleidung

Verena Speichert gestaltet Wände. Oder Gegenstände. Oder Papier – auch mal zu Weihnachten

Fehlt Ihnen noch

die besondere Idee

zu Weihnachten?

24 Kreative aus Berlin

liefern Tipps für

Präsente oder verraten, wie man die

festlichen Tage

noch schöner macht

Der Palast des Königs Hussein von Jordanien hat 284 Steckdosen. Verena Speichert kennt jede einzelne. Denn sie hat alle bemalt – mit einer kunstvollen Technik: Jetzt wirkt der Kunststoff wie Holz. Die Wände der prunkvollen Säle und Gemächer hat sie mit filigranen orientalischen Ornamenten verziert.

„Bitte verwandeln Sie mein Zuhause in ein Paradies.“ Solch ein Auftrag ist für Verena Speichert nichts Ungewöhnliches. Die 37-Jährige ist Malerin im doppelten Sinn des Wortes: Anstreicherin und Künstlerin gleichzeitig. Das Paradies malte sie einem Lehrerehepaar im Wohnzimmer an die Wand: ein Idyll mit großem Baum und vielen Tieren. „Ich bin Dienstleisterin und erfülle Wünsche“, sagt sie. Lebensgroße Zebras hat sie für ein Café in Mitte mit dem Pinsel gezaubert. Einer Whirlpool-Besitzerin schmückte sie das Badezimmer mit Seepferdchen und Fischen – als Überraschung für den Ehemann, denn der fährt als Kapitän zur See und kommt nur alle paar Wochen nach Hause.

Verena Speicherts Repertoire ist groß: Spachteltechnik, Holzimitationen, Fresken, Schablonentechnik, Acryl, Vergoldung, Lasuren, „die edle Form der Wischtechnik“. Ideen und Vorarbeit entstehen in ihrem Atelier in einem alten Speicher in Moabit. Wenn sie an ihrem Arbeitstisch sitzt, blickt sie direkt auf eine große Bücherwand. „Tiere vor der Kamera“, „Die Welt der Pflanzen“, „Grammatik der Ornamente“ – die Bände sind allesamt Vorlagen für ihre Arbeit. Dreht sie den Kopf zur Seite, sieht sie jenseits des großen Fensters das Band der Spree.

Im Atelier mischt die Künstlerin auch ihre Farben. Alles, was sie dazu braucht, steht in einer Vitrine: Dutzende von Gläsern, gefüllt mit bunten Pulvern. Französisch Ocker zum Beispiel und Kadmium Orange. Kleine Kisten voller Gold, Silber und Perlmutt. Dazu Hasenleim.

In einem winzigen Gläschen ist „Blu di Manganese“, eine italienische Kostbarkeit, die es kaum noch zu kaufen gibt. Überhaupt Italien: In Florenz, in den berühmten Uffizien, hat die Künstlerin die Werke alter Meister restauriert. An einer speziellen Schule lernte sie die alte, fast ausgestorbene Kunst des Freskenmalens. Vorher studierte sie visuelle Kommunikation in Frankfurt und hängte gleich noch eine Ausbildung zur Malerin und Lackiererin dran. „Ich interessiere mich eben nicht allein für die Philosophie der Kunst, sondern auch für ihre praktische Seite.“ Nicht nur Wände in Berlin und Jordanien tragen Verena Speicherts Arbeiten. Sie hat auch in England, Frankreich und Griechenland Räume verschönert. In Kanada bemalte sie einen mehr als zwei Meter hohen Nussknacker – als weihnachtliche Gartendekoration.

Sonst malt sie eigentlich selten Weihnachtliches. So ein Wandbild ist schließlich zu schade, um es einfach im Januar zu übertünchen. Stattdessen hat Weihnachten für sie eine andere Nebenwirkung: Hotels und Geschäfte fragen an, ob sie nicht an den Feiertagen arbeiten könne, dann seien kaum Gäste oder Kunden da. Solche Aufträge übernimmt sie nicht, Familie geht vor. Sie geht lieber mit ihren Eltern ins Theater.

„Anmalerei“, Verena Speichert, Kaiserin-Augusta-Allee 101, Moabit, Tel. 0175 207 06 42 (www.anmalerei.de)

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