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Berlin: Die Kunst der Verwandlung

Nach dem Ende der politischen Affäre setzen die neuen Betreiber des Tempodroms auf Vielseitigkeit

Hinter der Bühne kreischt eine Kreissäge, Handwerker hämmern und schrauben, es riecht nach Sägespäne. Dutzende Arbeiter wuseln durch die große Arena des Tempodroms, schieben Kulissenteile, Scheinwerfer und Kameras hin und her. Wer einen Beleg für den Spruch sucht, dass Kunst nicht nur schön ist, sondern auch viel Arbeit macht, der findet ihn in diesen Tagen in dem zeltförmigen Gebäude am Anhalter Bahnhof. Bis zu 300 Menschen werkeln derzeit am richtigen Rahmen für die Show zum 50. Jubiläum der ARD-Fernsehlotterie, die am heutigen Sonnabend um 20.15 Uhr live aus Berlin ins ganze Land gesendet werden soll.

In den Ohren von Thomas Gross, seit kurzem Manager des Tempodrom-Veranstaltungsgeschäfts, klingt der Baulärm neben seinem kleinen Büro wie Musik. Eine Woche lang ist das Haus voll, die Fernsehshow mit Frank Elstner, Udo Jürgens und 180 weiteren Künstlern ist unbezahlbare Werbung. Die hat das Tempodrom, für dessen Programm der 43-jährige Kulturmanager seit vergangenem Sommer verantwortlich ist, auch nötig. „Wir müssen unser Image ständig weiter verbessern“, sagt Gross. „Manche denken, uns gibt es gar nicht mehr.“

Das ist die Last der Tempodrom-Affäre. Mit der haben Gross und sein zwölfköpfiges Team eigentlich nichts zu tun, aber sie spüren bis heute die Folgen. Dabei ging es um politische Verwicklungen beim Bau des 33-Millionen-Euro-Hauses vor fünf Jahren. Den hatten Gross’ Vorgänger größtenteils mit öffentlichem Geld finanziert, die vor einem Jahr unfreiwillig aus dem Geschäft ausgeschiedenen Tempodrom-Gründer Irene Moessinger und Norbert Waehl. Vor zwei Wochen beendete das Abgeordnetenhaus die politische Aufarbeitung der Affäre mit einem Abschlussbericht.

Jetzt setzen Gross und sein Team alles daran, dass das Tempodrom nicht länger als Symbol für einen Skandal steht, sondern wieder als Zentrum für Kultur und Veranstaltungen.

Da kommen öffentlichkeitswirksame Ereignisse wie die Fernsehshow gerade recht, um den steinernen „Verwandlungskünstler“, wie Gross das Haus nennt, zu präsentieren. Der Manager führt das Programm im Auftrag des Unternehmens Treugast, das die insolvente Tempodrom GmbH im vergangenen Jahr gekauft hat. Das Geschäft läuft gut, sagt Gross. Wenn im August das erste Jahr unter seiner Regie zu Ende geht, erwartet er ein positives Ergebnis, trotz hoher Anlaufkosten und Abfindungen für ehemalige Mitarbeiter. Das Gebäude selbst gehört einem anderen Unternehmen, dafür sucht ein Insolvenzverwalter weiterhin nach einem Käufer. Ebenso für das Liquidrom, das Thermalbad im Haus, das wegen ungeklärter Fragen um eine Sanierung bis auf weiteres geschlossen ist.

Beim Rundgang durch die Gänge, Umkleideräume, das angeschlossene Restaurant und die große Halle erzählen Gross, seine Sprecherin Jessica Paul und der technische Koordinator Mathias Zentner, wie sie das Haus endgültig von der Last der Vergangenheit zu befreien suchen. Sie werben in Fachblättern mit der ungewöhnlich modernen technischen Ausstattung des Tempodroms, sprechen mit Konzertveranstaltern und präsentieren sich gegenüber Unternehmen als vielseitiger Ort für Firmenveranstaltungen. Von der hochklassigen Gala über Rockkonzerte, Boxkämpfe und Comedy-Shows bis zu Fernsehproduktionen reicht das Spektrum der rund 200 Veranstaltungen, die für dieses Jahr gebucht sind, sagt Manager Gross. Auch für ungewöhnliche Sonderveranstaltungen ist Raum, so veranstaltete am vergangenen Wochenende eine islamische Organisation einen Koranrezitierwettbewerb mit 3000 Zuschauern.

Besonders am Herzen liegen Gross die ambitionierten Eigenveranstaltungen in der kleinen Arena, dem „Circle Club“, vor allem die neue Reihe „Klassik after Work“, bei der Mode, Musik und Essen zusammen serviert werden. Beim nächsten Abend am 4. Mai gibt es spanische Gitarrenmusik. Die beste Werbung für das Tempodrom bei Veranstaltern sei das Haus selbst, sagt Gross, während um ihn herum die Fernsehleute hin- und herlaufen: „Nach einem Rundgang durch die Räume sind die Leute begeistert.“ Manche Künstler und Eventmanager, die hier gastieren, schmücken sich sogar explizit mit dem prägnanten Zackenbau, auch dies ein Zeichen für die Normalisierung nach der Affäre: Auf dem Plakat für Roland Kaisers Auftritt am 13. Mai prangt groß ein Tempodrom-Foto.

Veranstaltungen im Tempodrom in den kommenden Wochen u.a.: 29. April Kaya Janar (Comedy), 1. Mai „Der kleine Eisbär“ (Kindermusical), 4. Mai Klassik after Work, 5. und 6. Mai „Falco meets Amadeus“ (Musical), 19. Mai: Van Morrison. Mehr unter: www.tempodrom.de

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