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Berlin: Die letzten Schäfer

Ein Beruf stirbt aus, auch in Brandenburg. Und das hat Gründe. Ein Berlinale-Film zeigt das Leben der Hirten.

Neuruppin - Die „Winternomaden“ ziehen auf der Kinoleinwand voller Leidenschaft mit ihren Schafen durch die Schweizer Berge. Zwar spart der Streifen von Manuel von Stürer, der auf der letzten Berlinale viel Aufmerksamkeit erlangte, nicht die harten Seiten des Schäferberufs aus. Aber es dominieren doch die Aufnahmen voller Abenteuerlust und Landschaftsidylle. „Mein Schweizer Berufskollege sagt im Film einen entscheidenden Satz, wonach die Schäferei eine Passion sein solle“, sagt der Chef des Brandenburger Schäferverbandes, Jan Greve. „Man muss tatsächlich die Schafe lieben und für sie geboren sein.“

Den Film sieht er als Werbung für seinen Beruf – und zu einem passenderen Zeitpunkt könnte der Film nicht kommen. Denn um den Nachwuchs sei es in Brandenburg und ganz Deutschland schlecht bestellt. Selbst ein Aussterben des Schäferberufes hält Jan Greve nicht mehr für ausgeschlossen. „Die Entwicklung ist dramatisch.“

Dabei hat der 63-Jährige selbst erst spät seine Liebe zu den Schafen entdeckt. 1997 kaufte der Chemie-Fachmann nach dem Ausscheiden aus der Berliner Schering AG zusammen mit seiner Frau einen Hof im kleinen Storbeck nahe Neuruppin. „Die 90er Jahre boten die Chance, noch mal etwas ganz Neues im Leben zu machen, und da haben wir zugegriffen“, sagt Greve. „Es war ein Lebenstraum.“ Auf die Frage, ob dieser auch in Erfüllung gegangen sei, legt der Mann in seiner traditionellen schwarzen Schäfertracht eine Pause ein. „Der Umgang mit den Tieren wirkt beglückend. Es macht einfach Freude, abends noch mal nach ihnen im Stall zu schauen oder ihnen auf der Weide in warmen Sommern zusätzliches Wasser zu bringen.“ Sogar die Kommunikation der Schafe untereinander sei für ihn kein Geheimnis mehr. Sie würden sich gegenseitig die besten Futterstellen mitteilen oder auch vor Gefahren warnen.

Dennoch hat sich die Zahl der Tiere auf dem Heidschnuckenhof im Norden Brandenburgs im Laufe der Zeit erheblich verkleinert. Vor zehn Jahren gehörten zur Herde 1800 Schafe, heute sind es 450. Die grasen auf 740 Hektar Land, wobei es bis vor wenigen Monaten sogar noch 420 Hektar mehr waren. Die befanden sich am Rande des einstigen Bombenabwurfplatzes Bombodrom. Nach der Übernahme des Geländes als Nationales Naturerbe durch die Sielmann-Stiftung vor einigen Monaten werden die Schafe zum Niedrighalten der Heide nicht mehr gebraucht. Weil dort seit dem Abzug der russischen Truppen 1992 viele Bäume in die Höhe geschossen sind, hat sich die Naturschutzorganisation für die kontrollierte Brandrodung entschlossen.

Doch auch aus anderen Gründen fehlen der Familie Greve zunehmend die Weideflächen. Die Förderung des Biosprits hat den Anbau von Mais drastisch erhöht, während einfache Grünflächen kaum noch zur Verfügung stehen. Da bleiben oft nur ertragsarme Randgebiete übrig. Außerdem trieb der Wegfall der EU-Prämien für Mutterschafe viele Betriebe in den Ruin. Von 80 Unternehmen, die im Jahr 2000 in Brandenburg Schafe im Haupterwerb hielten, sind etwas mehr als 40 übrig geblieben.

Jan Greve denkt nicht ans Aufhören. „Wir leben nicht schlecht auf dem Land, verkaufen Lammfleisch auf unserem Hof und beliefern mehrere Läden und Restaurants“, sagt der Schäfer, der auch als Fleischer arbeiten darf.

Seinem 25-jährigen Sohn Andre hat er freigestellt, im familiären Betrieb zu bleiben. Doch der hat sich längst entschieden. „Ich erlebe hier Dinge, die ich in der Stadt nie kennenlernen würde“, erzählt der Mann. Er habe zwar eine Hotelfachschule erfolgreich absolviert, wolle aber jetzt unbedingt Schäfer werden.

Der Film „Winternomaden“ feiert am 18. Dezember um 20 Uhr im „Hackesche Höfe Kino“ in der Rosenthaler Straße 40-41 seine Berlin-Premiere. Der Regisseur Manuel von Stürler und die Schäferin Carole Noblanc laden im Anschluss zum Filmgespräch und zu einem kleinen Empfang im Foyer ein. www.hoefekino.de

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