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Berlin: Die Linke hält nichts vom NC für Gymnasien

Fraktionschefin Bluhm für soziale Mischung. Schulleiter aus Brennpunktkiezen: Wir könnten dichtmachen

Die Linkspartei hat den Vorstoß von Berliner Oberstudiendirektoren, die Zugangsvoraussetzungen für Schüler an Gymnasien zu verschärfen, abgelehnt. „Wir sind gegen einen Numerus Clausus (NC) und stattdessen dafür, dass auch Schülern aus sozial schwierigen Verhältnissen der Zugang zu anderen gesellschaftlichen Ebenen ermöglicht wird“, sagte gestern die Fraktionsvorsitzende der Linken im Abgeordnetenhaus, Carola Bluhm. Die Partei habe sich auch für die neuen Sekundarschulen so stark gemacht, weil sie eine Durchmischung der Oberschulen wolle.

Auch unter den Schulleitern von Gymnasien ist der Vorstoß umstritten. „Wenn ein hoher NC durchkäme, könnte ich meine Schule, so wie sie jetzt funktioniert, zumachen“, sagte etwa Rainer Völkel, Leiter des Robert-Koch-Gymnasiums in Kreuzberg. Völkel ist aber durchaus für eine gewisse Erhöhung der Zugangshürde: „Ich halte es für sinnvoll, bei den für die Realschule empfohlenen Schülern vor allem die mit den besseren Noten zu berücksichtigen.“ Seine Kollegin Birgit Nicolas vom Ernst-Abbe-Gymnasium in Nord-Neukölln lehnt einen NC ab. Sie schlägt aber vor, eine Verlängerung der Probezeit von einem halben auf ein Jahr zu prüfen, wie dies auch Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren schon in die Diskussion gebracht hat.

Derzeit können Grundschüler auch mit Real- und Hauptschulempfehlung aufs Gymnasium wechseln. In Brennpunktbezirken sind der überwiegende Anteil der Gymnasiasten Kinder aus Migrantenfamilien, viele mit bildungsfernem Elternhaus. „Die Eltern wollen nur das Beste für ihr Kind, wollen kein Real- oder Hauptschulzeugnis, sondern, dass es Arzt oder Rechtsanwalt wird, und sie haben manchmal eine falsche Vorstellung von dem, was Schule leisten kann“, sagt Abbe-Schulleiterin Nicolas. Ihre Schüler seien „sehr aufnahmefreudig und -fähig und teils auch sehr dankbar für Zuwendung, die sie hier erfahren“. Leider seien die Eltern oft nicht in der Lage, sie zu unterstützen.

Am Ernst-Abbe-Gymnasium starten derzeit je zur Hälfte gymnasial- und realschulempfohlene Jugendliche im Probehalbjahr der siebten Klasse. „Während dieser Zeit haben wir sehr strenge Bedingungen“, sagt Nicolas. Vier siebte Klassen beginnen in einem Jahrgang, nur drei achte Klassen gibt es derzeit danach, so viele Schülerinnen und Schüler scheitern. Die Schultyp-Empfehlungen der Grundschulen treffen nach Erfahrungen von Schulleitern nicht immer zu.

An der Schule von Rainer Völkel in Kreuzberg sind es sogar zwei Drittel der Schüler, denen eigentlich der Besuch der Realschule nahegelegt wurde. Rund ein Viertel der Jugendlichen muss nach dem Probehalbjahr abgehen, die meisten von ihnen waren mit Realschulempfehlung gekommen. Völkel zufolge wollen türkische und arabische Eltern „eine heile Welt für ihre Kinder ohne Drogen und Gewalt“. Deswegen wollen sie unbedingt das Gymnasium – und versprechen angeblichen Nachhilfeunterricht „fünfmal die Woche“. Laut Völkel starten rund 110 Schüler ab der elften Klasse durch zum Abitur, deutschstämmige sind kaum darunter, 80 schaffen es. „Wir haben viele ganz tolle Abiturienten.“ Aber natürlich auch Jugendliche, die sich mit der deutschen Schriftsprache schwertun. Birgit Nicolas hat eine ganz andere Idee. Sie hat – bisher vergeblich – einen Antrag auf fünfte Klassen gestellt, und zwar mit Latein, weil dies den Zugang zur deutschen Sprache erleichtere. Annette Kögel

Annette Kögel

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