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Berlin: Die Lust am Luftschloss

Er existiert schon, der Nachbau des Originals – auf Fotomontagen des Fördervereins. 10 Millionen Euro Spenden sind gesammelt, 580 Millionen wird das Projekt kosten. Und ein Mann ist sicher, dass es kommt

„Berliner Extrablatt“ nennt sich die Publikation des Fördervereins Berliner Schloss e. V., die mittlerweile in dreißigster Auflage und 1130000 Exemplaren erschienen ist und überall dort gratis verteilt wird, wo man dem Wiederaufbau des Stadtschlosses freundlich gesonnen ist. In der neuesten Nummer gibt es gleich acht Mal fotografische Gegenüberstellungen: der Jetzt-Zustand mit dem abgewrackten, aber noch bespiel- und begehbaren Palast der Republik und die Vision mit dem wiedererrichteten Schloss an gleicher Stelle.

Die Montagen holen die Zukunft in die Gegenwart, aber sie können nicht die Mühsal zeigen, mit der an solch einem Werk einst jahrzehntelang gebaut wurde. Sie präsentieren das fertige Produkt in freundlichen Farben, dazu die Jahreszahl 2015. Dann nämlich soll alles fertig sein – denkt und hofft Wilhelm von Boddien, ewiger Optimist. „Ich gehe davon aus, dass es zwischen 2008 und 2010 losgeht“, sagt der geistige Schlossbaumeister. Glaubt man seinem Extrablatt, soll der Kernbau des Schlosses im Wert von zirka 500 Millionen Euro – ähnlich übrigens wie der Neubau der Britischen Botschaft in der Wilhelmstraße – über ein Public-Private-Partnership-Modell („PPP“) finanziert werden. Das bedeutet die private Finanzierung von öffentlichen Bauten. In den Niederlanden und in Großbritannien habe man gute Erfahrungen mit einer Vielzahl öffentlicher Gebäude, nach dem Prinzip: Vater Staat sucht über einen Wettbewerb einen privaten Generalübernehmer, der das Bauwerk genau nach den Vorgaben errichtet. Für den öffentlich genutzten Anteil gibt der Staat eine langfristige Mietgarantie, die den Bau für den Generalübernehmer kreditfähig macht. „Durch die gute Bonität des Staates wird dieser Kredit zinsgünstig sein“, sagt Boddien. Das geplante Veranstaltungs- und Konferenzzentrum, die Restaurants und andere privatwirtschaftlich betriebene Flächen würden von vornherein über den Kapitalmarkt privat finanziert.

Und die 80 Millionen für die Fassade? Sollen als Spenden kommen. „Der Tsunami hat im ersten Quartal den Spendenmarkt leer gefegt“, sagt Wilhelm von Boddien und spricht von „knapp unter zehn Millionen, was Spendenzusagen angeht“. Viele Spender warten, bis der Palast abgerissen wird, das wäre ein Zeichen. Und Signalwirkung hätte auch, wenn feststeht, dass gebaut wird – „so war das schließlich auch bei der Dresdner Frauenkirche, wo alle plötzlich daran interessiert waren, sich an so einem Haus zu verewigen“.

Zunächst wären ja die Berliner bei der Verewigung am Zuge, indem sie einen symbolischen Schlossbaustein kaufen oder 50 Euro in die Schlosskasse legen. „Wenn eine Million Berliner 50 Euro spenden, dann haben wir schon 50 Millionen, allein aus Berlin.“ Aber auch alle anderen Deutschen sollen am Schloss ihrer Hauptstadt mitstricken. „Und wir müssen Konzepte entwickeln, um jene Menschen mitzunehmen, die noch immer am Palast hängen.“ Das soll mit einer Info-Box passieren, die, „wenn Senat und Bezirk Mitte endlich in die Hufe kommen“, bis Mai 2006 am Rand des Schloßplatzes stehen könnte. Ein Finanzier, der ungenannt bleiben will, wurde schon gewonnen. Boddiens Blatt verspricht: „Mit der Infobox wird die Mitte Berlins als einzigartige Bildungslandschaft in allen ihren zukünftigen Facetten bereits lebendige Wirklichkeit.“

Der Visionär möchte die Lust am Luftschloss aus jeder parteipolitischen Schattierung heraushalten. Er glaubt, er hofft vielmehr: „Allein die Tatsache, dass in der Mitte Berlins ein Loch gähnt, führt dazu, dass gebaut wird. Die angedrohte grüne Wiese findet für mich jedenfalls nicht statt.“

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