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500 000 Euro beträgt der Schätzwert der zehn Marken mit dem Gesicht Audrey Hepburns. Eigentlich hätte das Motiv nie gedruckt werden dürfen. Jetzt soll der Bogen versteigert werden. Foto: ddp

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Berlin: Die Luxusmarke

Mit dem Konterfei Audrey Hepburns will ihr Sohn in Berlin ein Vermögen machen – für den guten Zweck

Die Szene könnte aus einem Film stammen, aber vermutlich aus einem schlechten: Sehr grimmig guckt der Wachmann nach links und nach rechts, hält die Hände auf Hüfthöhe vor seinem Körper gefaltet, so dass die Schultern noch breiter wirken. Nein, man muss kein Philatelist sein, um zu ahnen, wie wertvoll diese zehn Briefmarken sein müssen, die der Sicherheitsdienst nicht aus den Augen lässt. Man traut sich nicht mal, die Acrylglasplatte anzufassen, die sie schützt.

Der Mann, dem die Marken gehören, ist auch hier, am Freitagvormittag im kleinen Wintergarten des Adlon: Sean Ferrer, 49, Filmproduzent aus Los Angeles, vor allem aber Sohn von Schauspiellegende Audrey Hepburn. Deren Gesicht ziert jede der zehn Briefmarken, und weil die extrem selten und wertvoll sind, möchte Ferrer sie bald versteigern lassen. Diesen September, im Berliner Auktionshaus Schlegel, eine halbe Million Euro beträgt der Schätzwert.

Dass jemand tatsächlich eine solche Riesensumme für die paar Marken aus dem Jahr 2001 zahlen könnte, liegt vor allem daran, dass sie offiziell nie in Umlauf gekommen sind. Und das wiederum ist eine lange Geschichte, sagt Ferrer. „Eine von fast shakespeareschen Ausmaßen.“ In Kurzform geht sie so: Vor neun Jahren bekam Sean Ferrer einen Brief aus Deutschland, in dem er um Zustimmung gebeten wurde, das Konterfei seiner Mutter auf eine Sondermarke der Post drucken zu lassen – im Rahmen der Serie „Internationale Filmschauspieler“, in einer Reihe mit Charlie Chaplin und Marilyn Monroe. Ferrer war einverstanden, bloß das Motiv gefiel ihm nicht. Es zeigte ein Szenenbild aus „Frühstück bei Tiffany“, in ihrer Rolle der Lebefrau Holly Golightly trug Hepburn Hut und hielt eine Zigarettenspitze im Mund. Das gehe auf gar keinen Fall, schrieb Ferrer zurück: Weil erstens die ausdrucksstarken Augen kaum zu sehen seien und zweitens eine rauchende Hepburn ein verdammt schlechtes Vorbild für Kinder abgebe. Die Herren von der deutschen Post wollten das Motiv aber nicht mehr austauschen, erzählt Ferrer im Adlon, und so sah er sich zu einem weiteren Brief mit klarer Ansage gezwungen: „Selbst wenn Jesus Christus diese Marke entworfen hätte, würde ich nicht zustimmen.“ Damit schien die Sache erledigt, das Bild seiner Mutter wurde gegen eine stilisierte Filmrolle ausgetauscht. Was Sean Ferrer – nach eigener Aussage – nicht wusste: Die Post hatte zu diesem Zeitpunkt bereits 16 Millionen Marken mit dem Hepburn-Motiv gedruckt, die nun allesamt entsorgt werden mussten. Eine unglaubliche Geschichte eben, findet Ferrer heute. Und sie ist noch nicht zu Ende. Auf mysteriöse Weise kamen fünf Exemplare nämlich trotzdem in Umlauf, alle auf Briefe geklebt, die zwischen Oktober 2003 und Februar 2004 in Berlin beziehungsweise ganz in der Nähe in Schönefeld und Hennigsdorf abgestempelt wurden. Sammler haben das genau dokumentiert, die raren Marken erzielten bei Auktionen bis zu 60 000 Euro. Sean Ferrer erfuhr davon während eines Berlin-Aufenthalts, und langsam begriff er, was sein Nein unwissentlich angerichtet hatte: eine zigtausendfache Wertsteigerung der eigentlich nur 1,60 Mark teuren Stücke. Als er dann zu Hause in Los Angeles in seinen Unterlagen wühlte und einen unbeschädigten Zehnerbogen fand, ein Muster der Post, kam ihm die Idee, wie aus dem ganzen Dilemma doch noch etwas Sinnvolles entstehen könnte. Der Erlös der geplanten Auktion soll nun an Unicef und andere Kinderhilfswerke fließen, schließlich hatte auch Hepburn ihren Starruhm genutzt, um bedürftigen Kindern zu helfen.

Sean Ferrer sieht seiner verstorbenen Mutter nicht zwingend ähnlich. Die dunklen Augen vielleicht und die Nasenpartie, aber sonst? Die Gene des Vaters waren wohl sehr dominant, glaubt Sean Ferrer. Der hieß Mel Ferrer, war Hepburns Partner in „Krieg und Frieden“ und zeitweise auch im richtigen Leben. Es freut den Sohn, wie populär die Mutter auch 17 Jahre nach ihrem Tod in Deutschland noch ist, und eines will er selbst auf keinen Fall sein: der „Bad Boy“, der für die Verschrottung von 16 Millionen Briefmarken verantwortlich ist. „Ich hatte keine Ahnung“, sagt er gleich mehrmals. Ansonsten hält er sich vornehm zurück. Den Rest übernimmt Wolfgang Jakubek, Experte der modernen Philatelie, Autor des wegweisenden Buches „Menschen, Marken und Marotten“. Er ist ins Adlon gekommen, um den anwesenden Journalisten zu erklären, wie einzigartig wertvoll der Bogen ist. Deshalb hat er sich ein paar Kernsätze seiner Rede in großen Druckbuchstaben auf einen Zettel geschrieben. „Es geht um das größte Wertobjekt der modernen Philatelie“, steht ganz oben. Später hinterm Stehpult wird Jakubek auch von „Kronjuwelen“ sprechen. Da muss selbst Sean Ferrer schmunzeln. Nur der Wachmann regt sich nicht.

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