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Berlin: „Die machen uns platt“

Belegschaft von Bosch-Siemens protestiert gegen Stellenabbau

„Es sieht so aus, als ob die uns hier platt machen wollen", sagt eine Arbeiterin. Teils schweigsam, teils in heftig diskutierenden Grüppchen strömen die Mitarbeiter gestern am frühen Nachmittag aus dem Bosch-Siemens-Hausgerätewerk an der Gartenfelder Straße in Haselhorst. Mit mehr als 1400 Teilnehmern hat fast die gesamte Belegschaft die gerade zu Ende gegangene Betriebsversammlung besucht, sagt der Betriebsratsvorsitzende Güngör Demirci. Jetzt ist es amtlich, rund die Hälfte von ihnen soll bis 2007 die Kündigung erhalten. Das hat der Berliner Werksleiter gerade bestätigt, von der Münchner Konzernleitung hat sich niemand in der Fabrik blicken lassen.

Von „gedrückt" über „verärgert" bis „kämpferisch" beschreiben die Menschen die Stimmung in der Waschmaschinen-Fabrik. Viele von ihnen sind 20 Jahre und länger dabei. „Ich fühle mich beschissen, die Politik hat versagt", sagt ein Mann. Für Betriebsratschef Demirci ist es unverständlich, wie ein Sprecher des Wirtschaftssenators Erklärungen abgeben kann, ohne mit den Betroffenen gesprochen zu haben.

„Der Anfang vom Ende", wie es eine andere Mitarbeiterin bezeichnet, begann bereits vor zwei Wochen. Da sei gut zwei Dutzend Spitzenmitarbeitern gekündigt worden. Ihnen seien wenigstens noch Arbeitsplätze im Nauener Werk angeboten worden, für den Rest gibt es keine Alternative. „Wir sind zu teuer", sagt eine Kollegin. „Dabei haben wir in den letzten Jahren schon immer auf Geld verzichtet, keine Zuschläge bekommen und samstags gearbeitet", sagt ein Beschäftigter, der seit 1988 dabei ist. „Wenn ich jetzt in den Vorruhestand gehe, bekomme ich nicht einmal genügend Geld, um meine Miete zu bezahlen", klagt eine andere Frau.

2003 feiert das Werk auf der Gartenfeld-Insel, die von Hohenzollern- und Schifffahrtskanal umflossen wird, sein 50jähriges Bestehen. Die nächsten 400 Mitarbeiter sollen dann entlassen sein. Seit 1992 wurde die einst über 3000 köpfige Belegschaft bereits halbiert, die Jahresproduktion von 1,6 Millionen auf 711 000 Waschmaschinen reduziert. Jetzt sollen weitere Bereiche nach Polen, Spanien und in die Türkei verlagert werden, in Werke, die mit Berliner Know-how aufgebaut wurden. „Mit der verbleibenden Produktionsrate von 450 000 Waschmaschinen kann der Standort wirtschaftlich nicht gehalten werden", sagt der Betriebsrat. Auch der 1. Bevollmächtigte der IG Metall in Berlin, Arno Hager, befürchtet einen „Durchgangsschritt zur endgültigen Schließung".

Mit einem „einhelligen Aufschrei", so Güngör Demirci, hätten die Kollegen den Betriebsrat aufgefordert, den Plänen der Geschäftsleitung nicht zuzustimmen. Heute sollen Verhandlungen über einen Sozialplan und die Sicherung möglichst vieler Arbeitsplätze beginnen. Wenn sich die Konzernleitung nicht kompromissbereit zeigt, schließen Demirci und Hager nicht aus, dass es zum Streik kommt. „Wir werden kämpfen", sagte ein Arbeiter nach Schluss der Versammlung. Rainer W. During

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