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Berlin: Die Mauer ist wieder da

Umstrittenes Mahnmal am Checkpoint eröffnet

Scheppernd fallen die letzten Gerüste und Planen vor der neuen Mauer am Checkpoint Charlie – dann wirkt Berlin an der Ecke Friedrich/Zimmerstraße am Sonntag kurz vor 15 Uhr wieder wie eine geteilte Stadt. Die Sicht ist von Beton versperrt, nur die oberen Etagen der Häuser hinter 3,60 Meter hohen Wänden sind noch zu sehen. Und an der Ostseite des Grenzwalls ragen auf zwei Brachen rechts und links der Zimmerstraße 1065 schwarze Holzkreuze in den Himmel – zur Erinnerung an die Mauertoten. Erste Neugierige drängeln sich zwischen den Schäften, loben das Projekt oder schimpfen, es sei doch peinlich.

Dann wird es still. Die Initiatorin des derzeit umstrittensten Mahnmals Berlins, die Chefin des Checkpoint-Charlie-Museums Alexandra Hildebrandt, eröffnet das Mahnmal mit einem Angriff auf den Senat. „Jahrelang ist hier zum Gedenken nichts passiert, jetzt haben wir auf eigene Faust etwas geschaffen.“ Danach erteilt Ehrengast Sergej Chruschtschow, Sohn des einstigen KPdSU-Generalsekretärs Nikita Chruschtschow, „allen Mauern in der Welt“ eine Absage. Anschließend spricht die 80-jährige Mutter des Maueropfers Burkhard Niering mit leiser Stimme. 1974 wurde ihr damals 23-jähriger Sohn am Checkpoint erschossen – nun freut sie sich über die „Anteilnahme“. An einem Kreuz erinnert ein Namensschild an ihren Sohn; tausend solcher Plaketten hängen an den Kreuzschäften.

Alexandra Hildebrandt ließ das Mahnmal aus 120 originalen Mauerteilen errichten, zuvor pachtete sie die Brachflächen. Doch der Senat und das Bezirksamt Mitte reagierten ablehnend. Sie genehmigten das Vorhaben „als Kunstprojekt“ nur bis zum Jahresende. Weil es zwar „gut gemeint ist, aber wie eine Disney-Version des Kalten Krieges wirkt und das öffentliche Stadtbild beeinträchtigt“, sagte gestern Torsten Wöhlert von der Senatskulturverwaltung. Wegen des Konfliktes will der Senat aber nun ein eigenes Konzept für eine Erinnerungsstätte am Checkpoint Charlie entwickeln.

Die Ansichten der ersten Besucher waren gestern geteilt. Peter Schindler aus Pankow findet die „Kreuze aus Bauhaus-Hölzern total geschmacklos“. Mehr als 40 Jahre sei er hinter der Mauer eingesperrt gewesen, jetzt würde er die Mauer-Nachbildung gerne verbieten. Beeindruckt äußerten sich dagegen Besucher aus Hannover. „Zur Kochstraße hin ist ein schrecklicher Mauerrummel mit Andenken, da gerät die Tragödie aus dem Blick. Hier wirst du wieder brutal erinnert.“ Und viele Touristen reagierten gestern wie David Colly aus Texas : „Hier erlebe ich, wie es mal aussah.“ CS

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