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Berlin: Die Mauer verläuft mitten durch die PDS

Viele Genossen verklären die DDR. Das missfällt der Sozialsenatorin. Parteichef Liebich versichert, die Geschichte sei bewältigt

Diese Diskussion hätten sie gern längst beendet. Aber der Umgang mit der Mauer und dem eigenen SED-Erbe lässt die Genossen der Linkspartei/PDS nicht los, ungeachtet all der Beschlüsse, in denen man in den vergangenen Jahren Mauerbau und DDR-Unrecht verurteilt hat.

Die jüngste Kontroverse ist Ausdruck einer kulturellen Kluft, die nach wie vor durch das Land, besonders aber durch die Nachfolgeorganisation der einstigen DDR-Staatspartei geht. Ausgelöst hat sie Parteigeschäftsführer Carsten Schatz mit seinen abwägenden und von der CDU als Verhöhnung der SED-Opfer verurteilten Äußerungen zur Mauer.

„Wir werden noch sehr viel Zeit brauchen, um die unterschiedlichen Sichtweisen auf die DDR in unserer Partei zu verarbeiten“, sagt Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner. Sie stammt aus Westdeutschland, war bis 1989 in der DKP und trat erst 1990 in die PDS ein. Bis heute gehört sie zu jenen Parteimitgliedern, die es befremdet, wenn Genossen die Mauer nicht schlichtweg als Fehler bezeichnen, sondern aus der inneren Logik des SED-Regimes zu erklären versuchen. „Das ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit, mit der Geschichte fertig zu werden“, sagt Knake-Werner zu Schatz’ Äußerung, die Mauer sei zur Stabilisierung der DDR „nicht irrational“ gewesen. „Ich hatte und habe ein viel distanzierteres Verhältnis zur Mauer und kann das nicht nachvollziehen“, sagt die Senatorin und betont, dass sie auch während ihrer Mitgliedschaft in der DDR-freundlichen DKP die Mauer abgelehnt habe.

Auch andere aus dem Westen stammende Funktionären der Linkspartei/PDS äußern sich ähnlich. „Ich habe eine andere Sicht auf die Mauer als viele Genossen“, sagt Evrim Baba, PDS-Bezirkschefin in Neukölln und Mitglied im Abgeordnetenhaus. Mit ihrer kategorischen Ablehnung der Mauer steht die gebürtige Türkin, die in West-Berlin aufwuchs, bei Debatten mit Ost-Genossen manchmal ganz alleine da. „Es gibt nach wie vor einen kulturellen Ost-West-Konflikt“, sagt sie. „Wir tauschen unsere Argumente aus, aber auf einen gemeinsamen Nenner kommen wir nicht.“ Dass die Mauer-Debatte die Partei spalte, halten die Genossen allerdings für eine Übertreibung. Dafür habe die PDS die Verbrechen der SED zu klar abgelehnt und sich entschuldigt, sagt Heidi Knake-Werner.

Der Berliner PDS-Parteichef Stefan Liebich sieht die Ost-West-Unterschiede in der PDS als Ausdruck eines allgemeinen deutsch-deutschen Phänomens. „Wenn ich höre, wie positiv auch Ostdeutsche, die nicht in unserer Partei sind, über die Mauer reden, dann stehen mir die Haare zu Berge“, sagt der in Marzahn aufgewachsene Landesvorsitzende. Dass in der PDS dennoch ein positiveres DDR-Bild verbreitet ist als bei anderen Parteien, erklärt Liebich mit ihrer historischen Rolle: „Die PDS war 1990 die einzige Partei für Menschen, die die DDR nicht verdammen wollten.“ Seither habe die Partei aber viele kritische Debatten über das eigene Erbe geführt. Mit Erfolg, sagt Liebich: „Ohne die PDS hätte ich heute ein viel rosigeres Bild von der DDR.“

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