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Berlin: Die Mitte mieft

Der Mittelstreifen am Potsdamer Platz wurde zur Berlinale aufgehübscht – mit Rindenmulch

Viele Leute schnupperten: Ein säuerlicher Hauch lag gestern über dem Potsdamer Platz. Was so dünstet, liegt in einer dicken graubraunen Schicht auf dem Mittelstreifen der Potsdamer Straße, zwischen Sony-Center auf der einen und Daimler-Viertel auf der anderen Seite.

Damit die spärlich bewachsene, verwilderte und unebene Brache in der Straßenmitte vor internationalem Publikum nicht gar so verwahrlost wirkt, wurde sie gerade noch rechtzeitig zur Berlinale mit Rindenmulch belegt – und so zumindest optisch veredelt. Mulch unterdrückt außerdem das Wuchern von Unkraut, er wirkt locker, federnd, falldämpfend. Er ist ein gutes Mittel gegen Pfützen, weil er das Wasser rasch in den Boden sickern lässt und schnell trocknet. Von Hunden wird er als Toilette verschmäht.

Manuela Damianakis von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung , die für die geplante Umgestaltung des Mittelstreifens zuständig ist, konnte sich gestern nicht erklären, warum das Zeug so intensiv riecht. Mittes Wirtschaftsstadtrat Dirk Lamprecht (CDU) aber wusste, dass Rindenmulch immer derart müffelt. Erfahrungsgemäß sei der Gestank allerdings nach ein paar Tagen verflogen.

Auch wenn er schon in den nächsten Tagen nur noch optisch wahrnehmbar sein sollte: Sehr lange wird der Mulch in der Straßenmitte ohnehin nicht liegen, denn nach der Berlinale, zumindest innerhalb der nächsten Wochen, soll mit der Umgestaltung des Mittelstreifens begonnen werden. Das hängt vom Wetter ab.

Bis zur Fußball-Weltmeisterschaft will die Senatsverwaltung für mehr als 400 000 Euro – größtenteils EU-Mittel – eine Promenade mit Bänken angelegt haben, mit breiteren Übergängen von einer zur anderen Straßenseite. Statt der Rindenreste wird dann ein Tennenbelag aufgetragen, ein Gemisch aus Lehm, Erde und Sand – wie auf dem Mittelstreifen Unter den Linden. Außerdem soll es historisierende Leuchten geben. Und Werbetafeln dürfen nur noch zu Berlinale-Zeiten zugelassen werden.

Solche leuchtenden Schautafeln hat die Firma Wall derzeit wieder auf dem Mittelstreifen aufgestellt. Firmensprecherin Beate Stoffers sagte gestern, das Unternehmen Wall würde Schautafeln auf dem Mittelstreifen gerne unentgeltlich von Mai bis Ende September aufstellen und dort ausschließlich für kulturelle Einrichtungen wie den Martin-Gropius-Bau, die Neue Nationalgalerie oder das Jüdische Museum werben. Es gebe viele Anfragen, doch das Bezirksamt habe auf das Angebot bisher nicht reagiert.

Die Pläne für die Umgestaltung des seit Jahren kritisierten Mittelstreifens – hier sollte einmal die Straßenbahn fahren – werden von der Wall-Sprecherin skeptisch beurteilt. Sie könne sich beispielsweise nicht vorstellen, dass Leute inmitten der Abgase der Potsdamer Straße auf Bänken sitzen wollten, sagte sie.

Schließlich seien auch die Bänke auf dem Mittelstreifen Unter den Linden selbst zur wärmeren Jahreszeit kaum besetzt.

Christian van Lessen

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