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Berlin: Die Monster in uns

Blutkörperchen, die Feinde mit Fangarmen fesseln, Killerzellen, die ihre Gegner platzen lassen – unser Immunsystem ist brutal, aber effektiv. Zurzeit brauchen wir es besonders. Ein Blick hinein

Normalerweise ist von „dem“ Immunsystem die Rede – dabei hat der Mensch nicht nur eines, sondern zwei: das unspezifische und das spezifische. Das unspezifische Immunsystem ist von Geburt an da. Es unterscheidet bei der Bekämpfung von Fremdkörpern nicht nach deren Art, sondern greift einfach alles an, was nicht in unseren Körper gehört. Das spezifische Immunsystem hingegen baut der Mensch im Kindesalter auf. Die Protagonisten, die dort mitmischen, sind spezialisiert auf einzelne Erreger. Durch jeden Kontakt mit ihnen lernt das spezifische Immunsystem dazu, spezialisiert sich weiter und bildet ein Gedächtnis. Alle Immunzellen sind übrigens weiße Blutkörperchen – Leukozyten . Der Begriff umfasst die unterschiedlichsten Zelltypen. Leukozyten werden durch Bakteriengifte oder Botenstoffe angelockt: Sie wandern durch alle Gewebe und sind nicht an die Blutbahn gebunden. Sie nehmen die Gifte oder Erreger auf und bauen sie ab. Im Folgenden wird erklärt, wer im Immunsystem was tut und wie.

DIE ALLESFRESSER

Unter den Leukozyten, die an der unspezifischen Immunabwehr beteiligt sind, sind die Fresszellen . Diese so genannten Makrophagen sind das Fußvolk der Abwehr. Egal, ob Bakterium, Virus oder Pilz – sie stürzen sich mit Fangarmen auf den Eindringling, umschließen und verdauen ihn. Makrophagen sind mit 15 bis 20 Mikrometer recht groß. So können sie auch Zellen fressen; die sind etwa um ein Zehnfaches größer als ein Bakterium.

Eine zweite Form der unspezifischen Allesfresserzellen sind die Granulozyten . Sie sind die schnellsten und zeigen so als erste beispielsweise eine Entzündung an. Wenn der Arzt nach einer Blutabnahme sagt: „Die weißen Blutkörperchen sind erhöht“, dann meint er die Granulozytenkonzentration. Sie sind acht bis 14 Mikrometer klein und fressen Bakterien – Zellen sind für sie zu groß.

Killerzellen töten wieder anders: Sie bringen Körperzellen zum Platzen, in denen sich Viren oder Bakterien verstecken. Sie sind kleiner als zehn Mikrometer.

DIE SPEZIALISTEN

Die weißen Blutkörperchen, die sich spezialisiert haben, werden Lymphozyt en genannt. Das ist der Oberbegriff für die so genannten B- und T- Zellen.

T-Zellen identifizieren Fremdkörper und kommunizieren mit B-Zellen, die dann die passenden Antikörper bilden. Zu den T-Zellen gehören auch „Suppressor-Zellen“. Die unterdrücken die Immunreaktion, wenn sie zu stark ausfällt, damit der Körper sich nicht selbst auffrisst.

B-Zellen sind vor allem in Mandeln, Milz und Lymphknoten aktiv, aber auch im Blut. Sie können sich in so genannte Plasmazellen teilen, die in der Lage sind, pro Stunde etwa 120 000 Antikörper loszuschicken, um Viren zu markieren.

Diese Antikörper ( Immunglobuline) sind Eiweiße, die von der Form her einem „Y“ ähneln. Die Antikörper-Eiweiße setzen die Gabelung ihrer Y-Form auf den Erreger, so dass er wie mit einer Fahne markiert ist – und so von Fresszellen erkannt und vernichtet werden kann.

DAS ARCHIV

B- und T-Zellen bilden Gedächtniszellen . Die merken sich jeden Erreger. So können sie schnellstens Anweisung geben, entsprechende Antikörper zu bilden, wenn der Erreger ein zweites Mal im Körper auftaucht. An vielen Krankheiten leiden wir deshalb nur ein Mal im Leben.

DIE BOTEN

Damit die Kommunikation zwischen allen Leukozyten klappt, gibt es die so genannten Botenstoffe . Ein Beispiel: Ist das unspezifische Immunsystem mit der Abwehr überfordert, ruft es über Botenstoffe das spezifische herbei. Botenstoffe sind so klein, dass man sie selbst unter dem Mikroskop nicht mehr sehen kann.

WO DIE IMMUNZELLEN HERKOMMEN

Der Körper bildet die Milliarden von Abwehrzellen vor allem aus den Stammzellen des Knochenmarks . Beteiligt ist aber auch die Thymusdrüse – die Immunschule für T-Zellen. Die Drüse liegt unterhalb der Schilddrüse und oberhalb der Lunge. Dort vermehren sich die T-Zellen und lernen, eigene Zellen von fremden zu unterscheiden. Die Durchfallquote dieser Schule ist hoch: Nur fünf Prozent der Zellen verlassen die Thymus-Drüse ausgebildet. Sie ist vor allem in der Kindheit wichtig, da lernt die Körperabwehr noch; dann ist sie handflächengroß. Im Alter bildet sich die Thymusdrüse zurück.

WO DIE ABWEHR ARBEITET

1. In den Lymphknoten , den Klärwerken des Körpers. Hier wird die Lymphe, die wie das Blut den ganzen Körper durchströmt, von Zelltrümmern gereinigt und auf Fremdstoffe kontrolliert. Das machen vor allem B- und T-Zellen.

2. In der Milz – der Wartungsstation fürs Blut. Immunzellen werden hier gelagert, Fremdstoffe aus dem Blut gefiltert. Zudem lernen B- und T- Zellen hier Eindringlinge kennen. Sie werden ihnen in der Milz regelrecht vorgeführt, damit sie sie im späteren Abwehreinsatz erkennen.

3. In den Mandeln warten B- und T-Zellen auf Erreger aus den Atemwegen.

4. Im Darm fallen noch einmal zahlreiche Fremdstoffe an. Die werden in eine Schleimhaut geschleust, wo ein Lymphgewebe sie außer Gefecht gesetzt. Dort warten T-, B- und Fresszellen.

5. Im Blut, der Schnellstraße für Immunzellen, Botenstoffe, Antikörper.

6. In der Atemwegsschleimhaut, die von der Nasenspitze bis zu den Bronchien reicht. In ihr bleiben Erkältungskeime haften. Hier sind alle Sorten der weißen Blutkörperchen vertreten. Die Schleimhaut ist mit Härchen ausgestattet, die dafür sorgen, dass der Schleim mit den Keimen wieder heraustransportiert wird.

7. In der Haut, denn sie ist unser erster Verteidigungswall. Ihren sauren Fettfilm mögen Keime nicht. Hat man aber eine kleine Hautverletzung, können Bakterien und Viren eintreten. Sofort eilt dann das unspezifische Immunsystem herbei: die Makrophagen, die unter der Haut durch das Gewebe wandern, und die Granulozyten aus der Blutbahn. Gemeinsam verspeisen sie Eindringlinge. Das kostet die Granulozyten manchmal das Leben – sie bilden mit den erlegten Keimen den Eiter, der sich in Wunden sammelt.

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