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Spektakulär, nicht wahr. Bitte? Technische Daten? Öhm...

© Kitty Kleist-Heinrich

Die neue U5 in Berlin: Unterwegs mit Bärlinde und den Tunnelbauern

Zwei Stunden hat der Druckausgleich in einer Kammer jeweils gedauert, dann konnte Michael Kolmsee an die Arbeit gehen: Er steuerte Bärlinde, die Maschine, die neue Tunnel für die U5 gebohrt hat. Ein Rundgang mit Helm und Hublift.

Es ist hell am Ende des Tunnels. Strahlend weiß. Tageslicht gibt es aber nicht. Michael Kolmsee, „Paule“ genannt, kauert auf einer Plattform und schwenkt eine Leuchte. So sind sie deutlich zu sehen: die vereisten Wände vor dem Schneidrad der Tunnelbohrmaschine Bärlinde, die die Röhren für die U-Bahn-Linie U 5 zwischen dem Roten Rathaus und dem schon fertigen Bahnhof Brandenburger Tor erstellt hat. Kolmsee war dabei ein wichtiger Mann – er hat Bärlinde gesteuert, abwechselnd mit zwei Kollegen. Zwölf Stunden hat eine Schicht immer gedauert.

Jetzt steht er auf dem Rest seines einstigen Arbeitsplatzes. Das 74 Meter lange Ungetüm ist zum größten Teil abgebaut und durch den fertigen Rohbautunnel zurück in den Startschacht am Marx-Engels-Forum transportiert worden. Dort hatte Kolmsee im April seine Fahrt durch den Untergrund begonnen. Mal fraß sich Bärlinde schnell durch den Boden, mal war sie langsamer. Wenn sie etwa auf einen Findling gestoßen war. „Ich höre das“, sagt Kolmsee. Und es passierte mehrfach. „Der Berliner Boden ist nicht einfach“, weiß der Berliner nun auch aus eigener Erfahrung.

Bärlinde steckt zwar voller Technik, aber gesteuert werden muss sie auch mit Gefühl. Seit elf Jahren ist Kolmsee Schildfahrer. Und immer noch begeistert er sich für seine Arbeit. Auch wenn alles getan ist und er auf der Plattform, mehrere Meter über dem Tunnelboden, steht. Jede Ecke des Vorraums leuchtet er aus, um alle Details erklären zu können.

Dabei hat er diesen Bereich während der Arbeit gar nicht gesehen. Der Leitstand, sein Arbeitsplatz auf Bärlinde, war mehrere Meter dahinter – getrennt durch eine Wand. Vorne schnappte sich das Schneidrad die Erde, die dann durch eine Förderleitung in der Tunnelröhre zum Marx-Engels-Forum geleitet wurde.

Vor dem Schneidrad war ein Überdruck aufgebaut worden, damit kein Wasser in den Vorraum eindringen konnte. Um dorthin zu gelangen, musste man in eine Druckkammer. Noch immer hängt sie, jetzt funktionslos, unter der Tunneldecke. Hinauf geht es mit einem Hublift, und von dessen Bühne aus klettert man dann in die Kabine. Zwei Stunden hat dort jeweils der Druckausgleich gedauert. „Das kann ganz schön langweilig sein“, sagt Kolmsee. Die Arbeit im Leitstand macht mehr Spaß.

Kolmsee kennt „seine“ Maschine, weiß, wo, wann und wie sie arbeitet. Hinten muss unter anderem die komplizierte Technik geschmiert werden oder es sind verstopfte Leitungen freizulegen. Von dort hat sich der gelernte Schlosser Jahr für Jahr nach vorne gearbeitet – bis er Schildfahrer war. Wie viele Tunnel hat er schon gebohrt? „Paule“ denkt kurz nach, fängt an zu zählen und bricht dann ab. „Viele“ waren es schon.

Ende September war er mit Bärlinde vor der Schutzwand am Brandenburger Tor angekommen, die den Bahnhof – noch – von den neuen Tunnelröhren trennt. In diesem Bereich, im Vorraum, drang dann im November Wasser ein, weil die Wand undicht war. Deshalb musste der Boden zusätzlich vereist werden. Der Tunnel dagegen ist dicht. Die Betonplatten, sogenannte Tübbings, werden von Bärlinde zu einem Kreis, bestehend aus sieben Segmenten, zusammengesetzt und abgedichtet. So ist der Tunnel Meter um Meter gewachsen; 1620 Meter sind es geworden, wie geplant.

Voraussichtlich Mitte 2020 werden hier Züge mit Fahrgästen durchrauschen. Ein Gleis liegt schon heute da – für den Bauzug, der Menschen und Material durch die Röhre fährt. „Hier zu laufen ist zu gefährlich“, sagt Projektleiter Peter Hoppe von der Baufirma Implenia. „Und schon gar nicht allein.“ Bevor sie in den Tunnel fahren, hängen die Arbeiter ihre Bauausweise an Haken. „Damit bei einem Einsatz die Feuerwehr sofort weiß, wie viele Menschen im Tunnel sind“, erklärt Hoppe. Zudem muss sich jeder im Tunnel auch noch einen schweren „Selbstretter“ umhängen, der bei einem Brand Luft für eine halbe Stunde spendet.

Einen solchen Selbstretter braucht der Geschäftsleiter der Projektrealisierungs-GmbH U5 Jörg Seegers – noch – nicht. Auch wenn bisher bereits Nachzahlungen in Höhe von 30,7 Millionen Euro mit Baufirmen vereinbart worden sind, liege man noch im vorgesehenen Kostenrahmen von 525 Millionen Euro, sagt Seegers. Dies sei durch die Risikovorsorge abgedeckt. Und wenn die Rechnung tatsächlich aufgeht, ist das auch „Paule“ und seinen Kollegen zu verdanken.

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