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Berlin: Die neuen Weinbücher

Investigativer Übereifer hat im vergangenen Herbst eine TV-journalistische Knallerbse zutage gefördert. Es ging um den Gault-Millau-Wein-Guide, dessen Chefredakteure Armin Diel und Joel Payne plötzlich als Schurken am Pranger standen.

Investigativer Übereifer hat im vergangenen Herbst eine TV-journalistische Knallerbse zutage gefördert. Es ging um den Gault-Millau-Wein-Guide, dessen Chefredakteure Armin Diel und Joel Payne plötzlich als Schurken am Pranger standen. Der Ansatzpunkt ist seit Jahren bekannt: Diel besitzt selbst ein bekanntes Weingut, und Payne ist leitend beim Großimporteur und Großhändler Schlumberger beschäftigt. Das darf man falsch finden; die Unterstellung, es schlage auf den Führer durch und mache ihn gar zum "Schlumberger-Katalog", ist auch für den neuen, eben erschienenen Jahrgang absurd. Die Firma führt rund tausend Weine, davon drei Prozent deutsche. Von ihnen kommen 21 im Gault-Millau vor, der selbst 3404 Weine bewertet. Das Buch kann inzwischen neben den ausländischen Vorbildern - Hachette, Gambero Rosso, Veronelli - bestens bestehen und gibt einen nahezu kompletten Überblick über den deutschen Qualitätsweinbau. Diesmal hat sich Einiges verändert: Die einzelnen Betriebe werden nicht mehr nach dem komplizierten 20-Punkte-Schema bewertet, sondern wesentlich praxisgerechter mit maximal fünf Trauben, und auch die einzelnen Weine stufen Diel und Payne jetzt nicht mehr im 20-, sondern im international üblichen 100-Punkte-Schema ein. Die Bewertungen sind, soweit sich das prüfen lässt, überwiegend sehr treffsicher, und der erfreulich aufstrebende Berliner Handel führt inzwischen so viele deutsche Weine, dass der Kauf des Guides auch dann lohnt, wenn man nicht beim Gut bestellen möchte."Winzer des Jahres" ist übrigens diesmal Klaus Keller aus Rheinhessen, und gegen diese Entscheidung lässt sich nun schon überhaupt nichts einwenden. (Heyne, 54 DM).

Völlig anders gestrickt, aber mit ebenso viel Gewinn zu lesen ist das neue Buch von Stuart Pigott, dem in Berlin lebenden Briten. Göttertrank und Blendwerk ist der gelungene Versuch, die Kritik an der immer weiter vordringenden Technisierung des Weinausbaus, beispielsweise der Mostkonzentration, mit ausführlichen, stark psychologisierenden Winzerporträts zu verbinden. Der Autor berichtet diesmal vorwiegend über die großen Stars aus Frankreich und Italien; Spanien, Deutschland und Österreich kommen eher am Rande vor. Auch dezidierte Bewertungen einzelner Weine spielen keine große Rolle; weil das Lektorat Bepunktungen aber wohl unentbehrlich findet, entstehen merkwürdige Dissonanzen zu den pigott-typischen Weinbeschreibungen nach dem Muster: "Eine Schönheit auf hohen Hacken betritt den Raum (91 Punkte)". Dennoch tiefschürfend und informativ - man muss nicht all das über die großen Weinmacher wissen, liest es aber mit Gewinn. (Hallwag, 49,80).

Cornelius und Fabian Lange geben sich sozusagen als Pigott-Regionalausgabe. Ihr Buch Die Rotweinelite Deutschlands ist stilistisch sehr ähnlich bis in die poetisierenden Beschreibungen, die bei ihnen allerdings oft in den schieren Blödsinn umkippen. Geeignet nur für Spezialisten und Freunde dieses Stils (Hallwag, 39,80).

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