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Berlin: Die Niedliche und ihr Grobian

Der Große Panda ist außerhalb Chinas eine Rarität, Berlin hat gleich zwei davon. Nur vermehren wollten sie sich leider nicht

Viel zu sehen gibt es bei ihnen nie. Meist liegen sie in ihrem Freigehege wie übergroße schwarzweiße Plüschteddys herum und gehen ihrer Lieblingsbeschäftigung nach – sie pennen. An ihrem Anblick scheiden sich die Geister der Besucher – die einen finden sie nur langweilig, die anderen „soooo süß“, und in den Medien werden sie als „Stars“ gehandelt.

Die Rede ist von den zwei Großen Pandas, die als Paar Bao Bao und Yan Yan im Zoo eine lange erfolglose Geschichte schrieben. Begonnen hat sie mit dem spektakulären Brautflug der „Niedlichen“ – so heißt Yan Yan übersetzt – aus China nach Berlin. Der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen erwies am 14. April 1995 der Bärin als Brautführer persönlich die Ehre, begleitet von einem Journalistentross. Genutzt hat es nichts – die Niedliche, die zunächst nur für fünf Jahre mit allerhöchster chinesischer Regierungsgenehmigung ausreisen durfte, erwies sich in der Folge als Niete.

Jahr für Jahr füllten Spekulationen über den Erfolg der jeweiligen künstlichen Besamung von Yan Yan die Zeitungsspalten – vergeblich. Inzwischen ist der Berliner Traum vom Panda-Nachwuchs erst mal zu Ende. Die 1985 geborene Yan Yan und ihr 1978 geborenes „Schätzchen“ – so heißt Bao Bao übersetzt – sind zu alt für Kindersegen.

Pandabären sind Einzelgänger – nur zur Paarung finden sie kurz zueinander. Im Fall des Schätzchens klappte nicht mal das. Bao Bao, der gerade das letzte Drittel seines Lebens in der ehemaligen Tigerfreianlage des Zoos verträumt, hatte sich 1987 bei einem englischen Techtelmechtel als Rüpel erwiesen. Nach London zur Zucht ausgeliehen, fand er kein Gefallen an sanften Liebesspielen, sondern ging so wütend ran, dass man ihn mit Hilfe eines Feuerlöschers von seiner Partnerin trennen musste. Der fehlt seither ein Ohr, an Nachwuchs war bei solch einem Grobian ohnehin nicht zu denken.

Von da an durfte Berlins Großer Panda nur noch Samenproduzent sein. 1980 war er in Gesellschaft von Yen Yen nach Berlin gekommen war – als Staatsgeschenk des chinesischen Partei- und Regierungschefs Hua Guofeng an den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt. Dass der Berliner Zoo in den Besitz des wertvollen Paares kam – außerhalb Chinas gibt es etwa nur ein Dutzend Pandabären –, verdankt er indirekt zwei Ehefrauen. Loki Schmidt, die botanisch interessierte Frau des Kanzlers, war befreundet mit Ursula Klös, der Frau des damaligen Zoo-Direktors Heinz-Georg Klös. Der erste Berliner Auftritt der Pandas geriet zu einem imposanten Medienspektakel. Dem Rummel um die kuschligen Zoo-Stars setzte 1983 der Tod von Yen Yen einen Dämpfer auf – bis sich 1995 der Regierende Bürgermeister um ein Ersatzweibchen für das einsame Schätzchen kümmerte.

Tägliches Ziel unzähliger Besucherscharen sind Bao Bao und Yan Yan aber auch ohne Nachwuchs – der Zoo leistet sich die teuren Kostgänger daher gern. Feinster Bambus wird den Gourmets täglich aufgetafelt – immerhin etwa 15 bis 20 Kilo pro Tier. Dazu einmal wöchentlich ein Hühnchen und täglich eine Suppe nach einem Geheimrezept, dass Tierpfleger Lutz Stoermer von seinen Kollegen aus China mitbrachte. So nennt man die Tiere nach ihrer wichtigsten Nahrung. Sie sind in China schon dadurch bedroht, dass ihnen der Bambus durch Mais- und Kartoffelanbau ausgeht.

Im Zoo dagegen können die Pandas sorglos jeden neuen Tag verschlafen – ihr Tisch ist immer reich gedeckt. Auf einer Plantage in der Camargue, die in Frankreich nur First-Class-Restaurants beliefert, werden extra zehn Sorten Bambus angepflanzt – und teuer hertransportiert, kann doch der empfindliche Bambus nicht mit anderem Liefergut gemischt werden. Um Engpässe bei den Tafelfreuden aus Frankreich auszuschließen, wurden in Berlin sogar Reservepflanzungen angelegt – im Zoo selbst, im Botanischen Garten, im Tierpark und in einer Baumschule. Gebunkert ist im Zoo auch noch etwas anderes – der Samen des Schätzchens.

Heidemarie Mazuhn

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