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Berlin: Die Ost-Erweiterung braucht die Schiene Nach dem EU-Referendum in Polen: Michael Cramer fordert den

raschen Ausbau der Bahnstrecken

Wenn 2004 Polen, Ungarn, Slowenien, Tschechien, Slowakei, Estland, Lettland, Litauen, Zypern und Malta der Europäischen Union beitreten, wird Deutschland in das Zentrum der EU rücken. Aus dem „Zonenrandgebiet“ wird ein Transitland. Ob und wie die Waren und Menschenströme bewältigt werden, ob Deutschland und insbesondere die märkische Region in Stau und Abgasen ersticken, liegt vor allem an den verkehrspolitischen Prioritäten der Regierungen von Berlin und Brandenburg.

Im Frühjahr diesen Jahres soll die Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans fertig sein, die Bundesregierung arbeitet mit Hochdruck daran. Die EUKommission hat eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt, der Vertreter der Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer angehören. Sie soll bis Ende 2003 die Leitlinien für das transeuropäische Verkehrsnetz überarbeiten.

Notwendig ist, die von Berlin und Brandenburg in die östlichen Beitrittsländer ausgehenden Schienenstrecken mit höchster Priorität zu sanieren und mindestens auf Tempo 200 km/h auszubauen. Zu den zu reaktivierenden Strecken gehören die Stettiner, Frankfurter und Görlitzer Bahn nach Polen, die Ostbahn in die Baltischen Staaten und die Dresdener Bahn nach Tschechien, Slowenien, Ungarn und in die Slowakei. Mit Ausnahme der beiden Inselstaaten Malta und Zypern wären dann alle Beitrittsländer über die Schiene mit der (alten) EU verbunden.

Von diesen Eisenbahnstrecken fehlen die Görlitzer und die Ostbahn im bisherigen Bundesverkehrswegeplan. Die Trasse der Görlitzer Bahn führt von Berlin über Cottbus nach Breslau und von dort über Kattowitz nach Krakau. Die historische Ostbahn war die Verbindung von Berlin über Kietz/Küstrin nach Bromberg und Danzig in Polen. Sie führt weiter zu den russischen Städten Königsberg und St. Petersburg und zu den drei baltischen Staaten Estland, Lettland, Litauen. Von der estnischen Hauptstadt Tallinn gibt es auch eine kurze Verbindung per Schiff und eine längere per Schiene zur finnischen Hauptstadt Helsinki.

Die Bundesregierung scheint den Blick noch nicht nach Osten gerichtet zu haben, denn sie stuft die Görlitzer und die Ostbahn bislang noch als Regionalverkehrs-Trasse ein. Deshalb hat sie diese bisher auch nicht in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Bundesverkehrsminister Stolpe ist – auch als Ost-Beauftragter – gefordert, die wichtigen Magistralen in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen. Aber auch der Senat muss die Chancen der EU-Osterweiterung erkennen und für die märkische Region durch die Anmeldung der Verkehrsprojekte nutzen. Da auch auf Bundesebene die finanziellen Ressourcen begrenzt sind, müssen die fünf Schienenstrecken für den vordringlichen Bedarf im Bundesverkehrswegeplan angemeldet werden – auch auf Kosten überflüssiger Stadtautobahn-Projekte wie die BAB 100 parallel zum inneren Eisenbahnring.

Anstatt das Geld für defizitäre Transrapid-Verbindungen auszugeben, sollte mit den knappen Geldern die Sanierung der Ost-Bahnen finanziert werden. Diese fördern nämlich den preisgünstigen und umweltfreundlichen Wirtschaftsverkehr zwischen Deutschland und den Beitrittsländern. Das würde insbesondere Berlins Chancen verbessern, sich als Drehscheibe zwischen Ost- und West-Europa zu entwickeln. Berlin und Brandenburg müssen zudem im zukünftigen Transit-Deutschland innerhalb der EU an einer Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene interessiert sein, wenn sie nicht – wie Österreich – in Stau und Abgasen ersticken wollen.

Michael Cramer ist verkehrspolitischer Experte von Bündnis90/Die Grünen und Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.

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