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Berlin: Die Perle wird poliert

Im Herbst ist sie fünfzig. Die alte Kongresshalle, das Haus der Kulturen, wird renoviert: für 8,8 Millionen Euro. Bis zum Jubiläum bleibt sie geschlossen

Ein Jahr vor ihrem großen Jubiläum hat die Kongresshalle in Tiergarten dichtgemacht. So, als wolle sie sich der Welt entziehen, seit ihr Erbauer, der amerikanische Architekt Hugh Stubbins, vor wenigen Tagen mit 94 Jahren gestorben ist. Der Bau an der John-Foster-Dulles-Allee ist jedenfalls für die Öffentlichkeit geschlossen – und das nicht nur zur Ferienzeit. Drinnen werden gerade Böden abgeklebt und Garderoben entfernt. Bauarbeiter renovieren und modernisieren für 8,8 Millionen Euro. Erst im August 2007 soll das Haus wieder fit sein, rechtzeitig vorm Jubiläum am 19. September. Dann wird die Kongresshalle 50 Jahre alt.

Sie feiert dann natürlich ganz offiziell als Haus der Kulturen der Welt (HKW). Um es für den künftigen Betrieb besser zu rüsten, sind „wichtige Basisrenovierungen“ nötig. Die Arbeiten werden sehr umfangreich, sagt Sprecherin Becky Ann Gilbert. Nur so könne man das Haus für die Zukunft sichern, müsse nicht dauernd Angst vor Rohrbrüchen oder anderen Ausfällen haben. Die 50 Jahre alten Leitungen machten große Probleme, Decken müssten aufgerissen, Sanitärbereiche erneuert, eine Sprinkleranlage eingebaut werden, eine Klima- und eine Alarmanlage. Nach dem Dacheinsturz 1980 habe der Aufbau, nicht die Infrastruktur des Hauses im Vordergrund gestanden. Für hochrangige internationale Ausstellungen, sagt sie, soll das Haus besser vorbereitet sein, es erhält auch neue Galerieräume und ein Foyer, das sich mehr als ein Forum für Veranstaltungen versteht und vielseitiger zu nutzen ist. Es soll die umfangreichste Instandsetzung in der Geschichte des Hauses sein. Das Geld kommt vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Die Arbeiten im Haus waren schon im April vom Intendanten Bernd M. Scherer angekündigt worden. Aber jetzt, wo es so weit ist, wirkt die Schließung doch wie ein harter Einschnitt. Gerade erst haben hier über 55 000 Besucher das Festival „Brasil – Copa da Cultura“ verfolgt. Das Haus, das nun so lange für den Kulturbetrieb stillgelegt ist, will sich aber immer wieder in Erinnerung rufen. So lädt es zum Tag des Offenen Denkmals am 9. und 10. September zu Führungen ein. Damit es in der Kulturlandschaft nicht übersehen wird, wird es auch eine Veranstaltungsreihe „Meine Baustelle“ geben – sechs Wochenenden mit Festen, Konzerten, Lesungen und Ausstellungen, erstmals im Oktober. Mit der Baustelle wolle man sich künstlerisch auseinander setzen, sagt Becky Ann Gilbert. Sie kündigt auch weitere separate Führungen an, die sich mit Architektur und Geschichte des Hauses beschäftigen. Sein Charme der fünfziger Jahre werde auch nach den Bauarbeiten erhalten bleiben, versichert sie.

Auch der alte Name bleibt im Wortschatz der Berliner, obwohl das Haus schon 1989 zum Haus der Kulturen der Welt, zum HKW geworden ist. Aber die Kongresshalle, 1957 als Geschenk der USA eröffnet, war nun einmal ein West-Berliner Wahrzeichen. Nicht nur ein Beitrag zur Architekturausstellung „Interbau“ (der auch das neue Hansaviertel und das Corbusierhaus zu verdanken sind), sondern vor allem ein Symbol der Freundschaft mit Amerika in Sichtweite der Sektorengrenze. Das Haus war zudem ein architektonisches Abenteuer, mit seinen Bögen, dem aufgeklappten Dach und der Krempe. „Schwangere Auster“ ließen sich die Tourismus-Werber damals einfallen und versuchten erfolglos, sie den Berlinern in den Mund zu legen.

In der Halle gab es über Jahre hinaus Konzerte, Kongresse und Parteitage, auch Pressekonferenzen. Wie die des Rings Deutscher Makler am 21. Mai 1980. Dabei stürzte ein Teil der Dachkonstruktion ein, ein Journalist wurde tödlich verletzt. Konstruktive Mängel und „Betonermüdung“ hatten das südliche Dach und den Randbogen zum Einsturz gebracht, dazu kam Rost im Stahl – die vordere Kongresshalle lag mit ihren Trümmern hoffnungslos am Boden. Fast schon abrissgeweiht. Ein schreckliches Postkartenmotiv, ein schlechtes Image für die Stadt. Es hätte das Ende des Hauses sein können. Aber die Kongresshalle rettete ihr hoher Sypathie- und Symbolwert. Der Senat entschloss sich zum Aufbau. Das Dach und die zerstörten anderen Bereiche des Hauses wurden 1987 wiedererrichtet, in leicht veränderter Dachkonstruktion – von außen kaum zu bemerken. Das kostete damals umgerechnet fast 25 Millionen Euro, mehr als dreimal so viel, wie der gesamte Bau einmal gekostet hatte. Das Haus bekam wenig später als Kulturstätte einen neuen Namen, zuständig wurde der Bund.

Zur Wiedereröffnung im nächsten Sommer wird es ein großes USA-Programm geben, mit dem Schwerpunkt New York. Das Haus der Kulturen der Welt hoffte so sehr, für die Jubiläumsveranstaltung Hugh Stubbins zu gewinnen. Der ehemalige Assistent von Walter Gropius schien noch rüstig genug. Erst Anfang der neunziger Jahre hatte er in Yokohama das höchste Gebäude Japans entworfen. Christian van Lessen

Christian van Lessen

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