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Berlin: „Die Pogromnacht war eine Prüfung“

Ralph Giordano in der Jüdischen Gemeinde zum 9. November 1938

Mit minutenlangen stehenden Ovationen dankten die Jüdische Gemeinde und ihre Gäste gestern Ralph Giordano für seine Rede zum 9. November. In der Pogromnacht von 1938 wollten die nationalsozialistischen Machthaber die Deutschen prüfen, sagte der aus Hamburg stammende Schriftsteller und Publizist in Anwesenheit des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Alexander Brenner, von Außenminister Joschka Fischer und Israels Botschafters Shimon Stein. Obwohl einzelne nichtjüdische Deutsche gegen die Zerstörung von Synagogen und Geschäften und die Verhaftung tausender jüdischer Mitbürger protestierten oder Mitleid zeigten, sei damals das grüne Licht für die Verschärfung der Judenpolitik gegeben worden. „Wann immer es später der Mörder bedurfte“, so Giordano im Jüdischen Gemeindehaus, „sie waren zur Stelle.“ Unter Tränen schilderte er, was nach dem 9. November 1938 geschah – bis hin zur Deportation und Ermordung von Millionen unschuldiger Menschen. Ralph Giordano gedachte auch der Frau, die ihn und seine Brüder versteckte und ihnen so das Leben rettete. Angesichts eines neu aufkeimenden Antisemitismus sagte Giordano: „Die Bundesrepublik kann nicht von Rechts ausgehebelt werden, aber die Schmerzgrenze beginnt schon früher.“

Der Vorsitzende der Gemeinde, Alexander Brenner, äußerte sein Entsetzen über den „Ausbruch eines offenen, gehässigen Antisemitismus“. Brenner hatte sich vor einigen Tagen in Spandau bei der Rückbenennung der Jüdenstraße mit antijüdischen Parolen konfrontiert gesehen. Berlins Justizsenatorin Karin Schubert sicherte in einem Grußwort an die 400 Zuhörer im Gemeindesaal die zügige Aufklärung des Vorfalls durch die Staatsanwaltschaft zu. „Fremdenfeindliche und antijüdische Töne dürfen in unserer Stadt keinen Platz haben“, sagte die Senatorin. Das Gedenken an den 9. November 1938 verlange „uns allen etwas ab: Toleranz, Bürgersinn und Zivilcourage“. ry

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