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Gewalt an Berliner Schulen ist offenbar häufiger, als es die Zahlen der Schulen vermuten lassen.

© dpa

Widersprüchliche Statistiken: Polizei sieht viel mehr Schulgewalt

Die Verwaltung zählt schon seit Jahren weit weniger Gewaltvorfälle an Schulen als die Polizei. Das könnte auch am bürokratischen Aufwand des Meldeverfahrens liegen, der für die Schulen oft zu hoch ist.

Berlins Schulen melden offenbar nur einen Bruchteil ihrer Gewaltvorfälle. Dies belegen die Vergleichszahlen der Polizeistatistik. Demnach lagen die Polizeizahlen in den vergangenen Jahren stets um das Vierfache höher als die der Schulen. Die Gründe sind vielfältig. Einige Rektoren geben zu bedenken, dass Kollegen um den Ruf ihrer Schule bangen und sich deshalb zurückhalten, andere weisen darauf hin, dass manche Familien nicht die Schule, sondern nur die Polizei informieren. Wichtig ist auch, dass die Schulen nicht alle Taten melden müssen.

Zur Veranschaulichung: Im Schuljahr 2010/11 wusste die Bildungsbehörde von 1470 Delikten, die Polizei aber von knapp 5900. In den Vorjahren war die Diskrepanz zwischen den Angaben ähnlich groß. Laut Polizei könnte dies damit zu tun haben könnte, dass sie auch Taten von Schulfremden und Taten auf dem Schulweg vermerkt. Dies allerdings müssten die Schulen auch - jedenfalls solange das Geschehen einen „direkten Bezug zur Schule sowie ihren Schülern hat“, wie es im Notfallplan heißt.

Ein weiterer Erklärungsversuch betrifft die Tatsache, dass Schulen Vorfälle der niedrigen Gefahrenstufe wie Mobbing und Beleidigung nicht melden müssen. Und die Rubrik „Diebstahl“ ist nicht einmal vorhanden, was ebenfalls die Gesamtzahl der Meldungen erheblich reduziert, denn die Polizei hat allein 2010/11 über 2000 leichte und schwere Diebstähle erfasst. Hingegen erfragt die Schulverwaltung nur Raub, also Diebstahl mit Gewalt.

Eine weitere Rolle könnten die komplizierten dreiseitigen Meldebögen spielen. „Es ist ja nicht damit getan, dass man die Papiere ausfüllt“, gibt Paul Schuknecht von der Vereinigung der GEW-Schulleiter zu bedenken. Vielmehr müsse man auch ermitteln, was sich genau ereignet habe. Das aber könne Tage dauern, während die Bildungsverwaltung die Meldungen sofort haben wolle. So könne das eine oder andere Delikt unter den Tisch fallen, was aber nicht heiße, dass intern mit dem Schüler nicht „erzieherisch“ gearbeitet werde.

Trotz des aufwändigen Meldeverfahrens haben die Schulen für 2011/12 über 1800 Vorfälle mitgeteilt – mehr als je zuvor - und auch solche, die nicht meldepflichtig waren (wir berichteten). Dies könnte laut Schuknecht damit zusammenhängen, dass sich die Lehrer „weniger gefallen lassen“: Sie waren in jedem vierten gemeldeten Fall betroffen, indem sie beleidigt oder bedroht wurden. Rund 40 Mal waren Pädagogen sogar körperlicher Gewalt ausgesetzt. Im Vorjahr wurden sie nur in jedem fünften der gemeldeten Fälle als Opfer benannt.

Die Vergleichszahlen der Polizei für das Schuljahr 2011/12 werden erst mit der neuen Kriminalitätsstatistik im März bekannt gegeben.

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