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Berlin: „Die Polizisten taten mir immer leid“

Er hat die grünen Transporter in seinen Berlin-Comics verewigt Jetzt werden die „Wannen“ ausgemustert – Gerhard Seyfried erinnert sich

Sie haben hundertfach Berliner Polizeiautos gezeichnet. Jetzt geht die „Wanne“ in den Ruhestand – mit welchen Gefühlen sehen Sie das?

Sie geht den Weg allen alten Eisens. Das ist wie mit den Dampflokomotiven.

Welche persönlichen Erinnerungen verbinden Sie mit den Berliner Wannen?

Sie stehen in ihrer klassischen, offenen Form für die letzte Phase des alten Überfallkommandos. Ich habe viele große Demonstrationen mitbekommen, bei denen sie eingesetzt wurden, zum Beispiel im Mai 1987, als Bolle brannte. Da bin ich mit der Kamera zwischen den Fronten herumgelaufen, habe in Tränengasschwaden Wannen für mein Archiv fotografiert und versucht, keinen auf den Deckel zu kriegen.

Mit Erfolg?

Ja. Die Wannen waren in der Masse optisch schon sehr eindrucksvoll. Aber in ihrem militärischen Aussehen waren diese Irrsinnsaufmärsche auch sehr bedrohlich. Man hat das damals sehr übertrieben und so die Eskalation mit vorangetrieben. Das habe ich am Lausitzer Platz, wo ich damals wohnte, mitbekommen. Da sind auch Leute sauer geworden, die sonst nicht gegen die Polizei vorgegangen wären.

Stehen neue Autos, die die Wanne ersetzen, auch für eine veränderte Polizei?

Bestimmt. Das steht für eine neue Einschätzung der Situation. Wie realistisch die ist, wird sich zeigen.

Sie selbst haben Polizisten trotz aller Kritik stets mit einem Schuss Sympathie gezeichnet…

…ja, ich kann mich auch in die andere Seite reindenken. Die Polizisten taten mir immer auch leid, wenn sie stundenlang in ihren Wannen hocken mussten. Ich mache es ja nicht einzelnen Polizisten zum Vorwurf, wenn es eskaliert, sondern der Polizeiführung oder dem Senat.

Was ist aus Sicht des Zeichners das Besondere an einer Wanne?

Eigentlich nur die Masse. Einzelne Wannen sind einfach nur ein größeres Polizeiauto. Aber diese gigantischen Aufmärsche von 100 Wannen, die die ganze Wiener Straße entlang stehen, das haut optisch schon ziemlich rein. Da habe ich auch ein paar einschlägige Zeichnungen in meinem Buch „Flucht aus Berlin“.Was mich übrigens auch immer besonders beeindruckt hat, sind die Beulen von den Pflastersteinen. Die habe ich immer meinen Besuchern aus Westdeutschland gezeigt, die haben dann große Augen gekriegt. So was gibt es in München ja nicht.

Das Gespräch führte Lars von Törne.

Von Seyfried erschien zuletzt der Roman „Der Schwarze Stern der Tupamaros“. Mehr unter www.seyfried-berlin.de.

Gerhard Seyfried lebt nach einem Jahr in der Schweiz seit kurzem wieder in Berlin. Er zeichnet heute kaum noch, schreibt dafür aber sehr erfolgreich Romane.

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