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Berlin: Die polnische Demokratie-Bewegung war ein Vorläufer der friedlichen Revolution in der DDR

Mauerfall-Feiern und kein Ende? Natürlich kann man in der Ausstellung, die am Mittwoch im Debis-Haus eröffnet wurde, lediglich einen der vielen Beiträge zu der zehnjährigen Wiederkehr der historischen Zäsur sehen.

Mauerfall-Feiern und kein Ende? Natürlich kann man in der Ausstellung, die am Mittwoch im Debis-Haus eröffnet wurde, lediglich einen der vielen Beiträge zu der zehnjährigen Wiederkehr der historischen Zäsur sehen. Vielleicht sogar eine Art Nachklapp. Aber in Wahrheit trug sie den Feierlichkeiten so etwas wie einen Eckstein hinterher - nämlich denjenigen, den Polen für die deutsche und europäische Entwicklung gelegt hat.

Polens Ministerpräsident Jerzy Buzek umschrieb das mit freundlicher Zurückhaltung diplomatisch. Er sei erfreut, dass die Deutschen "Bilder der ungarischen Grenze aus dem Jahre 1989 in ihrer Erinnerung bewahren". Aber er wünschte doch, dass im deutschen Bewusstsein stärker verankert bliebe, welche Rolle die Oppositionsbewegungen in den angrenzenden Ländern gespielt haben, "insbesondere die ,Solidarnos¿c". Ja, in der Tat: Wäre die Herbst-Revolution in der DDR möglich geworden ohne die polnische Demokratie-Bewegung?

Die große Brücke, die die Ausstellungsmacher in das riesige Foyer des Debis-Hauses gestellt haben, versinnbildlicht die Antwort. Über der Treppe, auf der man auf sie hinaufsteigt, hängt das Bild der bestreikten Danziger Werft aus dem Jahr 1980, über dem Abgang das von der Öffnung der Mauer 1989. Den Gang über die gewaltige Konstruktion begleiten die Bilder: die Versammlung der Werftarbeiter, Lech Walesa, die charismatische Leitgestalt, die Szenen des Widerstands, der Konfrontation und der Sammlung in der Mess-Feier.

Alte, abgearbeitete Gesichter, junge Gesichter, mit den langen Haaren und Koteletten dieser Jahre - eins davon gehört dem Mann, der heute als Ministerpräsident die Ausstellung eröffnet. Unter der Brücke die Zeugnisse dieses Wegs: Bücher, Plakate, Flugblätter.

Die Ausstellung trägt den Titel: "Tore der Freiheit. Von der ,Solidarnos¿c zur deutschen Einheit". Erarbeitet worden ist sie nicht von professionellen Museumsmachern, sondern von kompetenten, engagierten Leuten - einerseits vom Zentrum für Internationale Beziehungen, das der in Deutschland aus seinen Botschafter-Zeiten wohl bekannte Janusz Reiter leitet, andererseits vom Zentrum für Historische Dokumentation in Warschau, das aus einer Untergrundzeitschrift entstanden ist, die die Entwicklung in Polen begleitet hat; auch ihr Kurator, Kazimierz Wóycicki, ist ein alter Solidarnos¿c-Mann.

Diese ein bisschen improvisierte Herstellung tut der Ausstellung gut. Sie ergänzt die Bilder auch mit genügend Zitaten und Erklärungen, um einen kleinen Kurs in polnischer Widerstands-Geschichte darzustellen. Sie spart die deutschen Sündenfälle nicht aus - zum Beispiel Helmut Schmidts hochärgerliche Kommentierung der Verhängung des Kriegsrechts am Rande seines Treffens mit Honnecker.

Zur Eröffnung kluge, beherzigenswerte Worte: Die Arbeiter der Lenin-Werft hätten den ersten Stein aus der Berliner Mauer gebrochen, sagte Debis-Chef Klaus Mangold; Bundeskanzler Gerhard Schröder erinnerte daran, dass das Modell der Runden Tische in Polen stand; der um die deutsch-polnischen Beziehungen hoch verdiente Janusz Reiter rief ins Gedächtnis, dass die Solidarnos¿c das Tabu gebrochen habe, nach dem man von der deutschen Einheit nur als Bedrohung reden dürfe.

Außerdem trafen sich so gut wie alle, die auf der deutschen und der polnischen Seite das deutsch-polnische Verhältnis unter Dampf halten.

Und hoch symbolisch gaben die Ministerpräsidenten von Tschechien und der Slowakei der Veranstaltung die Ehre; denn die Freiheitsbewegung des Herbstes vor zehn Jahren kam aus der Tiefe Mitteleuropas.

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