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Berlin: "Die Regierungsbeteiligung ist eine riesige Chance"

Herr Liebich, was bedeutet für Sie heute Sozialismus?Der Landesvorsitzende der PDS ist, glaube ich, in dieser Situation Berlins gut beraten, sich für soziale Gerechtigkeit - allen Sparnotwendigkeiten zum Trotz - einzusetzen.

Herr Liebich, was bedeutet für Sie heute Sozialismus?

Der Landesvorsitzende der PDS ist, glaube ich, in dieser Situation Berlins gut beraten, sich für soziale Gerechtigkeit - allen Sparnotwendigkeiten zum Trotz - einzusetzen.

Lässt sich das mit den Koalitionsplänen, in deren Zentrum die Sparpolitik steht, vereinbaren?

Das muss es. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD schnell Einigkeit erzielt: die soziale Gerechtigkeit darf nicht auf der Strecke bleiben.

Die SPD ist auch eine sozialistische Partei?

Die SPD würde das wohl weit von sich weisen, auch wenn in ihrem noch gültigen 89er Programm vom demokratischen Sozialismus die Rede ist. Ich denke, dass die soziale Gerechtigkeit eine ursozialistische Idee ist.

Aber was bleibt von dieser Idee?

Trotz der dramatischen Sparnotwendigkeiten wollen wir Prioritäten setzen, anstatt mit dem Rasenmäher alles zu stutzen. Beispiel: Die rot-rote Koalition wird keine Kürzung der Kleiderpauschale bei Sozialhilfeempfängern beschließen. Das ist vielleicht nicht das, was man sich unter Sozialismus im Allgemeinen vorstellt. Aber es ist das, was in der derzeitigen Situation Berlins möglich und nötig ist.

Ist es für Sie persönlich ein Bruch, Landesvorsitzender einer Regierungspartei zu sein?

Die Verantwortung ist jetzt eine andere, das ist die wichtigste Veränderung. Jetzt ist es nicht nur so, dass wir uns kluge Konzepte ausdenken, von denen wir wissen, dass wir sie ohnehin nicht umsetzen werden. Jetzt müssen wir uns bei jedem Konzept überlegen, dass die reale Gefahr besteht, dass es auch so gemacht wird.

Und wie regiert es sich jetzt?

Schwer. Aber dass es schwer wird, war klar. Ich glaube aber, es ist uns gelungen, in Berlin einen anderen Regierungsstil einzuführen.

Was ist das Andere an diesem Stil?

In den vergangenen Jahren hatte man nicht den Eindruck, dass da zwei Parteien miteinander regieren - sondern gegeneinander. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir das nicht fortsetzen wollen.

Klappt das denn - auch mit dem eigenwilligen Regierenden Bürgermeister?

Weitestgehend.

Wie ist das Klima in der Koalition?

Beide Parteien haben in den Koalitionsgesprächen gemerkt, das größere Problem ist nicht das Miteinander, sondern der dritte Verhandlungspartner: die Haushaltsnotlage. Entsprechend läuft das Miteinander ganz gut. Wir stellen nur gemeinsam fest: Was wir uns wünschen, können wir uns nicht leisten.

Bei welchen Themen liegen die Positionen der beiden Parteien denn auseinander? Wenn schon nicht bei den sozialen Themen, dann bei der Inneren Sicherheit?

Gerade bei den Bürgerrechten und der Öffentlichen Sicherheit standen sich SPD und PDS sehr nahe. Ich will nicht ausschließen, dass wir Konflikte haben könnten. Aber im Moment sehe ich keine.

Das klingt nach sehr viel Einigkeit. Sie haben doch nicht wieder eine Sozialistische Einheitspartei gegründet?

Natürlich gibt es Differenzen. Gerade im Bereich "soziale Stadtentwicklung" gehen unsere Vorstellungen in eine ganz andere Richtung als die der Sozialdemokaten. Aber wir haben bei auseinander gehenden Positionen den Streit ausgefochten.

Wo gab es Streit?

Über die Mietobergrenzen haben wir lange diskutiert. Das Verhältnis von Autoverkehr zu Fahrrad- und Fußgängerverkehr hat uns Debatten beschert. Die Frage, ob Sozialhilfeempfänger mit behördlichem Zwang oder mit behördlicher Hilfe in Arbeitsplätze vermittelt werden können, unterscheidet uns grundlegend. Aber ich glaube, wir haben Formulierungen gefunden, zu denen beide stehen können. Dabei schließe ich nicht aus, dass noch Interpretationsspielraum bleibt.

Nämlich?

Na, eines war schon offensichtlich. Wir vereinbaren einen Wettbewerb für den Schlossplatz und der Regierende Bürgermeister meint - ganz persönlich - , dabei kommt ein Palast-Abriss raus. Das unterscheidet sich doch erheblich von dem, was wir uns von einem Wettbewerb erhoffen.

Rot-Rot in Berlin hat ein Problem: Es fehlt die Akzeptanz und das Vertrauen der Bevölkerung. Oder ist das nur wieder typisch West-Berlin?

Im Ostteil der Stadt ist die Akzeptanz sehr hoch. Wir müssen uns jetzt darum bemühen, dass die Akzeptanz hoch bleibt. Und wir müssen stärker als bisher im Westen Berlins für unsere Politik werben. Die Regierungsbeteiligung ist für uns eine riesige Chance, um deutlich zu machen, dass in der PDS nicht Verrückte agieren, sondern ganz vernünftige Leute.

Apropos Verrückte. Dem Innensenator Körting ist die Kommunistische Plattform lästig, er lässt sie durch den Verfassungsschutz beobachten. Ist Ihnen die Kommunistische Plattform auch lästig?

Die Kommunistische Plattform ist ein Teil der PDS, deren politische Positionen ich meistens nicht teile. Sie hat auch keine Mehrheit innerhalb der Partei. Aber wir haben ein sehr demokratisches Parteistatut und da haben viele Gruppen ihren Platz. Der Verfassungsschutz macht über sie einen Zeitungsausschnittdienst. Das halte ich für unnötig und gehe davon aus, dass dies im Laufe der Legislaturperiode beendet wird.

Wie würden Sie Sahra Wagenknecht, die Leitfigur der Kommunistischen Plattform, charakterisieren?

Ich kenne sie persönlich nicht. Ich bin nur überrascht, wie ein relativ junger Mensch zu solchen Auffassungen kommen kann.

Wie stehen Sie denn zu der Forderung, die Ergebnisse der Stasi-Überprüfungen der Senatsmitglieder zu veröffentlichen?

Die Senatoren der PDS haben damit kein Problem. Parteiintern haben wir ebenfalls Regelungen, wie man mit seiner Geschichte umgehen soll - nämlich öffentlich.

Die PDS-Senatoren sind also kein Akzeptanzproblem? Aber reicht das, um im Westen anzukommen?

Die PDS ist immerhin in allen Bezirksverordnetenversammlungen der Stadt vertreten. Sogar in Zehlendorf-Steglitz haben wir über fünf Prozent. Unsere Bezirkspolitiker müssen deutlich machen, dass die PDS andere Akzente setzt als andere Parteien, dass es Sinn macht, uns zu wählen.

Warum macht es denn Sinn?

In der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, um nur zwei Beispiele zu nennen, liegen wir eindeutig links von der SPD. In Berlin, in Deutschland wie anderswo in West-Europa muss doch Platz sein für eine Politik links von der Sozialdemokratie. Dafür gibt es auch in dieser Stadt viele Anhänger und die Vorbehalte, die sich auf die Vergangenheit der PDS beziehen, müssen wir selbst abbauen.

Wollen Sie im Westen Berlins die Wählerstimmen der Grünen einsammeln?

Wir können mit unserer Politik durchaus Wähler erreichen, die von den Grünen auf Bundesebene enttäuscht sind. Eine Abwerbe-Kampagne starten wir aber nicht.

Ist für zwei Parteien links von der SPD überhaupt Platz?

Sind die Grünen eine linke Partei?

Will die PDS die Grünen langfristig ersetzen?

Nicht aus Prinzip. Viele Positionen der Berliner Grünen sind mir nahe, aber was die Grünen auf Bundesebene veranstalten, hat mit links nichts zu tun. Die PDS will die Grünen nicht ersetzen. Aber es stellt sich die Frage, ob die Grünen von den Wählern noch als Alternative zur PDS oder zur FDP wahrgenommen werden.

Aber geht nicht auch die PDS irgendwann den schwierigen Weg der Grünen?

Diese Frage wird von unseren Mitgliedern immer wieder ängstlich gestellt. PDS-Politiker sind nicht per se die besseren Menschen. Ich glaube trotzdem, dass man sich an den Realitäten orientieren und gleichzeitig linke Politik machen kann, ohne die eigenen Prinzipien aufzugeben. Die PDS will mit Kritik und Protest anders umgehen als andere Regierungsparteien. Politische Veränderungen kommen nicht nur aus dem Parlament, sondern auch von der Straße. Wir müssen auch eigene Positionen in Frage stellen und Kritiker auf PDS-Parteitage einladen.

Dann kommen Sie schon bei der Bundestagswahl in West-Berlin groß raus?

Bei der Abgeordnetenhauswahl hat die PDS 6,9 Prozent erzielt. Dieses Ergebnis bei der Bundestagswahl zu halten wäre schon eine Herausforderung.

Ihr Wahlziel im Osten?

Alle fünf Direktmandate.

Herr Liebich[was bedeutet für Sie heute Sozi]

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