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Berlin: Die Revolution ist ausgeblieben

Das Schönefeld-Urteil in der Bewertung von vier Fachjuristen: Der Schutz vor Fluglärm wurde verbessert

Welche Konsequenzen sind aus dem Schönefeld-Urteil herauszulesen? Norbert Wimmer, Partner in der Sozietät White & Case LLP, sieht keinen Hemmschuh für den Baubeginn mehr, auch wenn formal der Baustopp vom Frühjahr 2005 noch aufgehoben werden muss. In der Standortfrage habe das Gericht „salomonisch geurteilt“, da es keine Einwände gegen Schönefeld an sich erhoben habe, gleichzeitig aber auch keine Vorratsplanung für künftigen Fracht- oder Interkontinentalverkehr erlaubt habe, weil dafür derzeit kein Bedarf nachweisbar sei.

Die jetzt festgelegten Lärmschutzmaßnahmen müssten erst überprüft werden, wenn am neuen Flughafen mehr als 370 000 Flugbewegungen pro Jahr gezählt werden. Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit des Flughafenprojekts sieht Wimmer im „Promillebereich“. Laut Bernhard Stüer, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Münster, ist nach dem Urteil der Gesetzgeber am Zug. Über die Standortfrage in Schönefeld hinaus habe der Leipziger Spruch Auswirkung auf ein Fluglärmgesetz, das derzeit zur Beratung anstehe. Die gesetzliche Lücke beim Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm müsse geschlossen werden und ähnlich den Regelungen bei Straßen, Eisenbahnen und Sportanlagen einheitlich festgelegt werden.

Außerdem seien durch das Urteil die Forderungen des Naturschutzes zurechtgestutzt: „Großprojekte müssen künftig nicht mehr an überzogenen Forderungen des Umwelt- und Naturschutzes scheitern.“ Vielmehr sei ein sachgerechter Ausgleich gefordert.

Reinhard Sparwasser (Kanzlei Sparwasser und Heilshorn in Freiburg) sieht ebenfalls das Nachtflugverbot gerechtfertigt, da die Lärmschutzbelange der Bevölkerung nicht hinter den öffentlichen Verkehrsinteressen zurückzusetzen seien. Er glaubt, dass der Schutz der Anwohner sogar gestärkt ist, da sie nun auch bei zeitweilig geöffnetem Fenster vor Lärm geschützt werden müssen und nicht nur das Recht haben, sich ohne Unterbrechung unterhalten zu können, sondern auch in ihrem Erholungsbedürfnis im Freien nicht eingeschränkt werden dürfen. Das Gericht erkenne ausdrücklich die Vorsorgepflicht an und fordere mehr als nur einen bloßen Gesundheitsschutz. Trotzdem: Das Schönefeld-Urteil ist keine Revolution im Lärmschutz, so Sparwasser, aber das Gericht sei nicht auf dem Stand der Lärmforschung vor zehn Jahren stehen geblieben.

Michael Kloepfer, Professor für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität, würdigt das Bemühen des Bundesverwaltungsgerichts um einen fairen Ausgleich. Nach dem Urteil könne aber nicht sofort gebaut werden, vielmehr hätten die Kläger noch die Möglichkeit, das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Durch die Auflagen zum Lärmschutz sieht Kloepfer allerdings eine neue Wirtschaftlichkeitsbewertung des Flughafens Schönefeld für unabdingbar und vor dem Hintergrund der Mängel in der Planungsphase grundlegende Korrekturen in den administrativen und politischen Entscheidungswegen der Länder Berlin und Brandenburg für dringend geboten. oew

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