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Redler

© Wolff

Berlin: Die Revolution und ihre Kinder

Lucy Redler war der Schrecken der PDS. Nach ihrem Ausstieg aus der WASG kämpft sie nun auf kleiner Bühne für die Arbeiterklasse.

Lucy Redler, das war der Name einer Wunderwaffe. Ein Torpedo, der die rot-rote Koalition in Berlin zum Untergang bringen könnte – durch Versenken der hier friedlich mitregierenden PDS. Gefürchtet selbst von Gregor Gysi, der einen Talkshow-Auftritt mit ihr vorsichtshalber ablehnte, obwohl er sonst kein rhetorisches Duell scheut. Keine zwei Jahre ist das alles her. Inzwischen hat die pragmatische Landes-PDS die kunterbunte „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) leise eingeatmet und erfreut sich als Linke laut Umfragen wachsender Beliebtheit.

Und die Wunderwaffe? Lucy Redler sieht noch so aus wie auf den Plakaten vor der letzten Wahl. Zum Gesprächstermin hat sie eine Resolution des Linken- Ortsverbandes Bad Cannstatt zum BVG-Streik mitgebracht. Bad Cannstatt gehört zu Stuttgart, und die dortigen Linken geißeln die wenig gewerkschaftsfreundliche Position ihrer Berliner Genossen als „eine Katastrophe“. Die Linksjugend in NRW übrigens auch. Anderes Blatt, gleicher Text. Es sind nicht alle Linken so wie die Berliner, sollen diese Zettel sagen. Die hauptstädtischen Mitregierer werden das wohl verschmerzen.

Lucy Redler findet, „dass sich eine linke Partei einfach entscheiden muss, auf welcher Seite sie steht“: auf der des Kapitals oder der Arbeit – beziehungsweise der „Klasse der Lohnabhängigen“, die inklusive der Arbeitslosen über 90 Prozent der Menschen umfasse und damit mehr als zu Karl Marx’ Zeiten.

Wie sie das sagt, so unaufgeregt und gar nicht durchgeknallt, hätte sie es auch vor dem Abgeordnetenhaus sagen können oder wenigstens in einer Fraktionssitzung der Linken. Dann wären die rot-roten Tage wirklich gezählt. Allein: Lucy Redler kann es dort nicht sagen, weil sie die WASG vor der Vereinigung mit der PDS verlassen hat. Was übrig blieb, heißt BASG, „Berliner Alternative für Solidarität und Gegenwehr“. Und Redler ist in der SAV, der „Sozialistischen Alternative“. Die interessiert vor allem den Verfassungsschutz, weil sie den Kapitalismus durch Sozialismus ersetzen möchte.

Und das geht laut Redler so: Generalstreik, damit die Leute endlich ihren Anteil bekommen. Es gebe schließlich europaweit starke Gewerkschaften; sie müssten nur das schlafende Potenzial wecken. Die Chancen könnten steigen, sobald die US-Rezession Europa erreiche. Dann werde die Frage nach den angeblichen Selbstheilungskräften des Kapitalismus wieder lauter gestellt. Und „eine Partei mit Hunderttausenden“ beflügeln, die sich des Themas annehme. Ob es die SAV wird, ist nach aktuellem Stand fraglich, denn laut Redler hat die in Berlin nur 80 Mitglieder. Redler ist Redakteurin beim Zentralorgan „Solidarität“.

Das nötige Geld, etwa für höhere Löhne bei der BVG, sei durch höhere Gewerbe-, Körperschaft- und Vermögensteuern zu holen. Wenn man sich dabei international um Solidarität bemühe, werde den Reichen auch das Wegziehen vergehen. So sagt das Lucy Redler – und fügt noch ein paar Stichworte von Telekom über Berlin Transport bis Wasserbetriebe an, die ja wohl zeigten, dass Privatisierung noch nie etwas gebracht habe. In einem Landesparlament, in dem Redner ihre Pointen von Zetteln ablesen und Abgeordnete fehlende Sachkenntnis durch tonale Empörung ersetzen, hätte sie Karriere machen können. Aber, ob man es glaube oder nicht: „Ich habe nie meine persönlichen Ambitionen in den Vordergrund gestellt.“ Im Übrigen erreiche man die Menschen auch auf Streikkundgebungen und dergleichen. Den Parlamentslinken dürfte viel erspart geblieben sein durch Redlers Entscheidung für das, was sie „den unbequemeren, aber prinzipientreuen Weg“ nennt.

Ein Zeitplan für den Abschied vom Kapitalismus ist von ihr nicht zu bekommen. Ob die fondsgebundene Riester- Rente noch sicher ist? Wer weiß; Lucy Redler weiß es jedenfalls nicht. Zumindest hat sie keine revolutionäre Eile. Sie ist ja erst 28. Stefan Jacobs

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