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Berlin: Die rote Hochburg

Berliner Wahlkreise – Folge 11: Der Bezirk Lichtenberg mit Plattenbauten, Sozialistendenkmal und Tierpark ist für die Linkspartei eine sichere Bank

Auf ihre Basis kann sich Gesine Lötzsch verlassen. Immerhin 60 Genossen haben sich am Sonntagmorgen im Kulturhaus Karlshorst eingefunden, zum politischen Frühschoppen der Linkspartei.PDS. Lötzsch hält ihre Rede, ein paar Fragen werden gestellt – und nach nicht einmal 30 Minuten ist der offizielle Teil vorüber. „Das ging ja schnell“, wundert sich ein Parteimitglied und leitet sogleich zum „nächsten Knüller des Tages“ über: dem Zwiebelkuchen-Essen.

Die Linkspartei kann sich das leisten, im Bezirk Lichtenberg sind die politischen Verhältnisse geklärt. Nach einer Prognose des Hamburger Wahlinformationsdienstes election.de kann Spitzenkandidatin Lötzsch mit 47 Prozent der Erststimmen rechnen – das sind 23 Prozentpunkte mehr, als ihr schärfster Konkurrent von der SPD erwarten kann. In keinem anderen Berliner Bezirk liegt ein Kandidat so uneinholbar in Führung.

Bei der Bundestagswahl 2002 gab es noch Gegenwehr. Da wollte CDU-Kandidat Georg Eickhoff mit 10000 Hausbesuchen die „rote Hochburg“ knacken. Genutzt hat es wenig: Eickhoff holte 16,9 Prozent der Erststimmen, Lötzsch knapp 40 Prozent und damit das Direktmandat. Das Ergebnis kam nicht überraschend, schließlich hält die Linkspartei in der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung die absolute Mehrheit. Der Bezirk Lichtenberg, das sind die 2001 fusionierten Stadtteile Lichtenberg und Hohenschönhausen. Das sind sanierte Plattenbau-Siedlungen im Norden, aber auch Gründerzeitvillen in Karlshorst. Und natürlich der BFC Dynamo, die Eisbären Berlin und der Tierpark. Zum Zentralfriedhof Friedrichsfelde pilgern jeden Januar Zehntausende, um den ermordeten Sozialistenführern Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zu gedenken.

Knapp 260000 Menschen wohnen im Bezirk Lichtenberg, mit statistisch 78,71 Jahren haben sie die vierthöchste Lebenserwartung Berlins. Das mittlere monatliche Nettoeinkommen beträgt 1475 Euro, was auf den Euro genau dem Landesdurchschnitt entspricht. Lichtenbergs Arbeitslosenquote liegt mit 17,9 Prozent sogar leicht unter dem Berliner Durchschnitt. Und das, obwohl nach der Wende gleich mehrere große Arbeitgeber weggebrochen sind: die Stasi-Zentrale in der Normannenstraße zum Beispiel und zahlreiche Industriebetriebe mit vielen tausend Beschäftigten rund um die Herzberg- und Siegfriedstraße. Aber die brachliegenden Flächen ermöglichten auch Neuansiedlungen, sagt Marion Nüske, Leiterin der Lichtenberger Wirtschaftsförderung: „Wir haben T-Mobile, Coca-Cola und eine große Druckerei bekommen, da sind wir auf einem guten Weg.“ Noch viel zu tun hat dagegen die Ausländerbeauftragte Heike Marquardt: 17 Prozent aller rechten Gewalttaten in Berlin werden in ihrem Bezirk verübt – das ist Rekord. Die meisten Übergriffe finden in den Plattenbausiedlungen von Hohenschönhausen statt, aber auch in Nähe des Bahnhofs Lichtenberg. „Rechte Gedanken treffe ich nicht nur bei Gewalttätern an, sondern auch in Jugendzentren, Seniorenheimen und Kirchengemeinden“, sagt Marquardt.

Das wirkt sich auch auf die Wahlergebnisse aus: Bei der Bundestagswahl 2002 bekam die NPD mit 1,5 Prozent immerhin das Zweieinhalbfache des Landesdurchschnitts.

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