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Berlin: Die Rückkehr des schwarzrotgoldenen Sommers

Fußballer zu Filmstars: Im Theater am Potsdamer Platz wurde gestern Abend die Premiere von Sönke Wortmanns WM-Dokumentation gefeiert

Nein, Jürgen Klinsmann war nicht gekommen, saß vielleicht irgendwo am Pazifikstrand, während in Berlin wieder einmal die schwarzrotgoldenen Fahnen wehten. Angekündigt war er zwar nicht zur Premiere von Sönke Wortmanns WM-Dokumentation „Deutschland. Ein Sommermärchen“ gestern Abend im Theater am Potsdamer Platz, aber bis zuletzt hatten wohl viele Fans gehofft, dass er als Überraschungsgast doch noch auftauchen würde. Immerhin eine Videobotschaft kam aus Kalifornien, in den Saal übertragen und auch auf den Bildschirmen zu sehen, die während der ARD-Livesendung „Brisant extra“ eingeschaltet waren. „Lasst es knallen in den Kinos“, ermunterte der ehemalige Bundestrainer das Publikum, schwärmte noch einmal von dem „fantastischen Erlebnis“, das die Weltmeisterschaft gewesen sei, aber solchen Ansporns bedurfte es eigentlich nicht.

Denn wenngleich der wolkenverhangene Abend kaum mehr an die heißen Fußballnächte des Sommers erinnerte, ließen einige hundert Zaungäste vor dem Theater, durch eine Riesenvideowand stets gut im Bilde, doch mitunter vergessen, dass alles bereits wieder drei Monate zurückliegt. Schon bevor die Stars der Tore eintrafen, sangen die Schaulustigen sich mit „We are the champions“ in Stimmung, schwenkten Fahnen und Schals wie im Sommer, hatten sich die Farben der Nation noch einmal auf die Wangen gemalt.

1700 geladene Gäste wollten den Film sehen, den Wortmann während der WM als steter Begleiter der Mannschaft gedreht hatte, darunter die Sportfreunde Stiller, die mit „54, 74, 90, 2006“ die inoffizielle WM-Hymne geschrieben hatten, Günter Jauch, der eigens aus Sylt nach Berlin gekommen war, der Schauspieler Peter Lohmeyer, der in Wortmanns „Das Wunder von Bern“ eine Hauptrolle gespielt hatte, TV-Experte und Ex-Nationalspieler Günter Netzer, die Bundesminister Franz Josef Jung und Ulla Schmidt sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Freudenausbrüche auf der WM-Tribüne der Regisseur sich selbstverständlich nicht hatte entgehen lassen. „Deutschland ist erstrahlt in einem wunderbaren Glanz“, sagte die Kanzlerin vor der Premiere und gab sich hochzufrieden: „Wir haben uns bei der WM als gute Gastgeber präsentiert.“

Die Spieler mit dem neuen Bundestrainer Joachim Löw sowie Franz Beckenbauer, dem Ex-Präsidenten des WM-Organisationskomitees, waren fast vollständig gekommen, nur Oliver Kahn und der verletzte Gerald Asamoah fehlten. „Ein Dokument für die Zukunft“ erhoffte sich Löw, bei der WM noch Klinsmanns Cotrainer, von dem Film, schwärmte auch davon, dass Wortmann „so nahe an uns dran“ war, „völlig authentisch“. Und der Regisseur selbst durfte sich angesichts der WM-haften Stimmung für den Erfolg seines Films die schönsten Hoffnungen machen: „Was ich spüre, ist eine große Euphorie auch dem Film gegenüber.“

Einquartiert hatte sich die Mannschaft bereits am Nachmittag im nahen Grand Hyatt, der davor geparkte Mannschaftsbus mit der Aufschrift „Danke Deutschland“ war nicht zu übersehen. Lehmann, Ballack & Co. hatten somit den kürzesten Weg ins Kino – zu diesem Abend der Erinnerung, bevor es wieder ernst wird: Am Wochenende tritt die Nationalmannschaft in Rostock gegen Georgien an. In den kommenden Tagen werden sie – wie schon während der WM – immer wieder mal in der Stadt herumspazieren. Heute Nachmittag steht eine Trainingseinheit auf dem (allerdings abgeriegelten) Olympiagelände an. Am Freitag werden die Spieler auschecken und von Tempelhof nach Rostock fliegen. Wahrscheinlich strömt das Publikum dann schon massenhaft in die Kinos, um es noch einmal an sich vorbeiziehen zu lassen – dieses wundervolle Fußball-Sommermärchen 2006.

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