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Berlin: Die Ruhe weg

Das Molinari & Ko. im Bergmannkiez schließt neuerdings schon um 20 Uhr. Weil die Chefinnen mehr Zeit für ihre Gäste haben wollen.

Obwohl Herr Molinari das Restaurant verlassen hat, erscheint sein Name weiterhin im Schriftzug der Speisekarte. Dabei ist das „Molinari & Ko.“ eigentlich nur noch „& Ko.“ Im Februar haben die beiden Schwestern Kathrin und Maria Koob das Kreuzberger Eck-Lokal an der Ecke Riemann-/Solmsstraße übernommen. Das hätte kaum jemand gemerkt, wären da nicht die neuen Öffnungszeiten. In der Woche ist die Küche nur noch bis 19 Uhr geöffnet, eine Stunde später schließt der kleine Italiener – obwohl man auf der verkehrsberuhigten Straße wunderbar bis zum späten Abend draußen sitzen kann. Nur am Wochenende geht der Service bis Mitternacht weiter.

„Viele unserer Stammgäste sind sauer“, sagt Kathrin Koob, Mitte dreißig, kurze dunkelbraune Haare. „Für sie ist es, als hätten wir ihnen das Wohnzimmer weggenommen. Man braucht viele Worte, um die Veränderung zu erklären.“ Aber für viele Worte braucht man Zeit und die hatten die Geschwister nicht mehr. Sie hatten keine Zeit mehr, sich mit den Gästen zu unterhalten, keine Zeit, am Tisch stehenzubleiben, die Angestellten kamen zu kurz, auch die Schwestern selbst fanden für ihren Geschmack viel zu wenig Zeit für ihre Familien.

Kathrin Koob ist von Anfang an dabei. 2005 hat die gelernte Sozialpädagogin das Lokal zusammen mit Mauritius Molinari eröffnet. Ihre Schwester Maria kam ein Jahr später dazu. Sie haben viel Arbeit in den Laden gesteckt, denn früher war das Molinari eine typische Eckkneipe. „Hier saß die Trinkerfraktion. Der Laden war völlig heruntergekommen“, sagt Kathrin Koob. Sie mussten alles von Grund auf renovieren. Der Zigarettengeruch war tief in die Tapete eingezogen. Trotz der Veränderung wollten sie das Lokal als Ort für den Kiez erhalten. „Ein Ort, zu dem man immer hingehen kann“, beschreibt es Kathrin Koob. Der Gast sollte sich wohlfühlen, wie zu Hause. Deswegen die großen Tische, an denen meist ganze Familien Platz finden. Nur wenige sind für zwei Personen konzipiert. Wohnzimmerflair gepaart mit der guten Qualität der italienischen Küche. Bodenständig, aber originell. Pizza mit luftgetrocknetem Rinderschinken, Walnüssen und Rucola. Salat mit frischem Schafskäse. Die Cremes der Tramezzini, der weichen Brot-Dreiecke, wechseln stets nach Saison. Alles wird frisch zubereitet.

Mit guter Küche und gutem Service, aber auch mit dem idyllischen Standort direkt an der Bergmannstraße hatte das Duo Molinari und Koob Erfolg, das Geschäft boomte. Kathrin Koob wurde es zu viel. „So ein Pensum geht irgendwann auf Kosten der Qualität“, sagt sie. Zu viele Getränke für den kleinen Tresen, die Küche kam mit dem Essen nicht mehr hinterher. Mit dem Personal wurde nur noch im Befehlston gesprochen. „Das ist eine ganz einfache Rechnung“, sagt ein Gast. „Wenn mehr Gäste kommen bleibt weniger Zeit. Da muss es schnell gehen.“ Ein anderer bestätigt das: „Am Ende war es schon ein bisschen anstrengend.“

Als Mauritius Molinari sich zusammen mit dem Küchenchef entschied, noch einmal neu anzufangen, entschieden sich die Schwestern Koob nach kurzem Zögern, allein weiterzumachen und das Konzept zu ändern. Sie hätten auch mehr Personal einstellen können. Aber das wollten sie nicht. Sie wollen selbst präsent sein. Für die Kunden und für das Team.

„Das war ein drastischer Umbruch“, sagt Kathrin Koob. Dass eine Küche um 19 Uhr schließt verstehen die Wenigsten und dass viele mit den neuen Zeiten nicht glücklich sind, versteht sie: „Viele Gäste kommen mehrmals am Tag. Sie fühlen sich in ihrem Rhythmus gestört.“

„Komisch“ ist ein Wort, das bei den Gästen häufig fällt. „Viele der Gäste glauben, dass wir es nicht mehr nötig haben, dass wir ausgesorgt hätten“, sagt Kathrin Koob. Diese Anschuldigung geht ihr besonders nahe. Ändern will sie nichts mehr. Kathrin und Maria Koob hoffen, dass sich die Gäste an die neuen Öffnungszeiten gewöhnen. Eigentlich geht es ihnen ja um die Gäste, das ist das Paradox, das sie versuchen aufzulösen. Sie versuchen es mit einem neuen Fokus auf das Frühstücksangebot.

Die Schwestern hoffen, dass sich die Gäste im Laufe des Sommers an den neuen Rhythmus gewöhnen. Sonst müssen sie sich etwas anderes überlegen.

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