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Berlin: Die Schatzkammer der Könige öffnet ihre Türen

Die Museumsinsel gewinnt ein weiteres Glanzlicht zurück. Ein Bummel durch die Ausstellung des Bode-Museums

Maria und Jesus sind endlich wieder vereint. 67 Jahre waren sie nicht mehr zusammen zu sehen, jetzt hängen die beiden Eichenholzfiguren der Triumphkreuzgruppe aus der Moritzkirche in Naumburg im Untergeschoss des sanierten und umgebauten Bode-Museums. 1889 auf dem Dachboden der Kirche gefunden, kamen die beiden um 1220 entstandenen Figuren 1913 nach Berlin und waren seit dem Zweiten Weltkrieg getrennt – die Maria konnte in Dahlem besichtigt werden, der Christus im Bode- Museum. Wie keine andere Figurengruppe der Skulpturensammlung der Staatlichen Museen symbolisiert die Naumburger Triumphkreuzgruppe das, was die Besonderheit der ab Donnerstag wieder zu sehenden Sammlung ausmacht: Seit der kriegsbedingten Schließung wird sie erstmals in ihrer Gesamtheit wieder gezeigt.

Rund 300 Skulpturen haben die Restauratoren der Staatlichen Museen unter der Leitung von Bodo Buczynski gesäubert und konserviert. Zum Beispiel die Propheten Jesaia und Jeremias aus dem Jahr 1240, die aus der Sandsteinfassade der Liebfrauenkirche in Trier stammen. Oder die Grabfiguren eines ritterlichen Paares aus Spanien aus dem 14. Jahrhundert. Sie liegen in der Mitte eines kryptaähnlichen Raumes, den Architekt Heinz Tesar ganz unten, unter der kleinen Kuppel des Bode-Museums, neu erbaut hat. „Die Grabfiguren haben wir auf die Originalfassung freigelegt“, erklärt Buczynski.

Nicht immer ist das gelungen oder gewollt. Zum Beispiel bei Hans Multschers Magdalena, von Engeln zum Himmel getragen, von 1466/67. „Diese Figur haben wir auf die zweite Fassung aus dem 16. Jahrhundert freigelegt“, sagt Buczynski, „eineinhalb Jahre hat das alleine bei dieser Figur gedauert.“ Insgesamt rund 1,4 Millionen Euro haben die Restaurierungen gekostet, die acht fest angestellte und bis zu 30 freie Restauratoren jahrelang beschäftigt haben, alleine ein dreiviertel Jahr haben sie an dem Zamser Retabel aus dem Jahr 1485 gearbeitet.

Im Bode-Museum haben die Skulpturen den Platz, der ihnen gebührt. Manchmal ist es erstaunlich viel Raum. Zum Beispiel für die – inklusive Sockel – gut drei Meter große marmorne Tänzerin von Antonio Canova. Sie steht im Mittelpunkt des großen Saales, umgeben von vielen anderen, aber sie dominiert durch ihren Auftritt den Raum, in ihrem antikisierenden Gewand, das allerdings mehr zeigt als es verhüllt: darunter befindet sich ein wohlgeformter, geradezu idealer Körper. Die Tänzerin, zuletzt in Dahlem zu sehen, ist nach jahrelangem Aufenthalt im Depot wieder auf die Museumsinsel zurückgekehrt und ist einer der wichtigsten Blickfänge im neuen Bode-Museum.

Dazu gehört auch der Husumer Kamin. Henni Heidtrider schuf ihn 1612 bis 1615 für das Schloss in der nordfriesischen Stadt. Das Schloss existiert bis heute, der in Husum gezeigte Kamin ist aber nur eine Kopie. Das Original hat Wilhelm von Bode selbst 1919 erstanden. Zunächst war er im Deutschen Museum zu sehen, jetzt steht der Kamin hier. Restauriert ist auch die Dangolsheimer Madonna von Nicolaus Gerhaert von Leyden aus dem Jahren 1460-65, die als eine der großartigsten Arbeiten der spätgotischen Bildhauerkunst gilt.

Schlangen werden sich im Bode-Museum überall bilden, das ist klar, besonders lang wird sie aber vor dem – im Vergleich zu den anderen Sälen – kleinen Tiepolo-Saal sein. Der Zyklus aus dem Palazzo Volpato-Panigai lag jahrelang in den Magazinen der Gemäldegalerie und ist jetzt erstmals wieder zu sehen. Während die Bilder im Zweiten Weltkrieg in Sicherheit gebracht werden konnten, war der Tiepolo-Saal durch die Bombentreffer im Krieg zerstört worden. Anhand erhaltener Fotos haben Stuckateure Millimeterarbeit geleistet und den Saal wieder erstehen lassen. Die Stars hängen hier zwar an den Wänden und der Decke, bemerkenswert ist aber auch das Werk in der Mitte des Raumes: ein Modell von Vincenzo Pacettis Faun aus dem Jahr 1899. Das nach diesem Modell erstellte Original steht in München.

Die mit Werken aus der Gemäldegalerie ergänzte Skulpturensammlung ergibt nirgends ein so harmonisches Ganzes wie bei den Antiken-Torsen ein paar Räume weiter. Drei wichtige Werke stammen aus dem selben Jahr: 1731. Edme Bouchardon schuf den Genius des Überflusses, Lambert-Sigisbert Adam d. Ä. den Bacchus und das Mädchen, das sich die Sandalen anzieht. Schließlich, allein schon durch die schiere Größe und Erhabenheit des Raumes beeindruckend: die Basilika, die bestimmende Achse des Bode-Museums. Hier findet sich unter vielen Meisterwerken in den Seitenkapellen zum Beispiel der – ebenfalls aufwendig restaurierte – Auferstehungsaltar aus dem Florenz des 15. Jahrhunderts.

Dass sich im tief protestantischen Preußen eine so erstaunliche Sammlung katholischer Kunst befindet, ist für Chef- Restaurator Buczinsky Ausdruck der preußischen Toleranz gegenüber anderen Religionen, und ein Spiegel dafür die umfangreiche Skulpturensammlung, die das Bode-Museum dominiert. Zu den prägnantesten Beispielen zählen Joseph Anton Feuchtmayers Maria von 1717/19 sowie die Maria Immaculata von Konrad Hegenauer und der heilige Michael als Bezwinger des Satans von Ignatz Günther. Letztere Figur krönte vermutlich eine Kanzel, die heute aber nicht mehr erhalten ist.

Nur noch teilweise erhalten, aber trotzdem raumgreifend ausgestellt, ist der Mannheimer Hochaltar, dessen Beschädigungen offen sichtbar sind. Die Figuren des Christus und die Assistenz-Skulpturen sind nicht mehr vorhanden. Die Arbeit von Paul Egell aus den Jahren 1738 bis 1742 zeigt das Bode-Museum in diesem Zustand in voller Absicht: „Wir hoffen, dass auf diese Weise die verschollenen Figuren wieder zu uns zurückkehren“, erklärt Buczynski. Bei dem Mannheimer Hochaltar ist es wie mit der Triumphkreuzgruppe aus Naumburg: sie sind an die Staatlichen Museen seinerzeit verkauft worden. Buczynski: „In der Mannheimer Kirche steht heute ein neu-gotischer Hochaltar.“

Das Bode-Museum bietet aber nicht nur dieser einzigartigen Skulpturensammlung Platz, sondern auch dem einzigen Museum für byzantinische Kunst in Deutschland, das jetzt ebenfalls wieder öffnet. Und außerdem dem Münzkabinett in den oberen Etagen des massigen Baus am Spreeufer. Die Tresore des Kabinetts im Keller, eine Attraktion während der Tage der offenen Tür im November 2005, werden für die Besucher nicht mehr zu sehen sein. Dafür gab es nur dieses eine Mal Gelegenheit – zum Abschluss der Bauarbeiten. Eine Wiederholung ist nicht vorgesehen.

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