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Berlin: Die Schlossherren gehen ans Werk

Dutzende Architekten, Ingenieure und Planungsbeamte sind schon mit dem Bau des Humboldt-Forums beschäftigt. Ein Streifzug durch die Projektbüros

Für keinen Bauplatz wurde so viel entworfen. Über kein Bauvorhaben so viel gestritten. Am Ende musste das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden. Jetzt darf das Stadtschloss kommen. Wenn alles gut geht, dann steht das Replikat des Hohenzollernbaus in sieben Jahren. Und es werden „nur“ 550 Millionen Euro in den Stahlbetonbau mit den drei historisierenden Fassaden geflossen sein. Wenn es schlecht läuft, wird es sehr viel mehr kosten. Weil der Bauherr zu viel, zu oft korrigiert. Oder weil sich die Architekten und Ingenieure verrechnen.

Aber wer sind die Menschen, von denen das Jahrhundertprojekt abhängt, bei der Schlossstiftung und im Planerhaus? Seit einem Jahr sind sie schon im Einsatz. Kaum einer kennt sie. Dabei sind sie es, die die Wünsche der Politiker und die Visionen des Architekten Franco Stella mit der Welt der Wirtschaft und der Schwerkraft versöhnen – und sie mit Hilfe von Geologie, Statik, Brandschutz, Klimatechnik und Baulogistik bändigen.

Hier also entsteht das Schloss: Hinter einer biederen Lochfassade an der Gertraudenstraße, die sich allenfalls durch den roten Sandstein vom Einerlei der Berliner Investorenarchitektur abhebt. Für die „Wiedererrichtung des Berliner Schlosses“, wie es auf dem Türschild heißt, hat das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) zwei Geschosse in dem Bürohaus angemietet. In einem der Räume sitzt Volker Grübener. Er ist schlank, hat sehr kurzes blondes Haar und eine Brille, dessen dunkler Rahmen wirkt, als habe er ihn passend zum dunklen Cordsakko gewählt. Grübener ist einer der vielen Referatsleiter beim BBR – und der „Gesamtprojektleiter Humboldt-Forum“. Er steuert das Heer von 60 Architekten und Ingenieuren, die das Schloss planen und bauen. Chefallüren gehen Grübener ab. Er spricht ruhig und besonnen, auch etwas förmlich, so wie ein Beamter eben.

Von seinem Büro aus blickt Grübener auf die frei gelegten Fundamente der Petrikirche. Und auf das frühere Bauministerium der DDR, ein schäbiger, verlassener Plattenbau, der im Zuge der Neugestaltung des Petriplatzes abgerissen wird, damit auch dieser Rand der Fischerinsel zu sich selbst findet. Hier liegt die Wiege der mittelalterlichen Doppelstadt Berlin-Cölln, aus der die Millionenmetropole erwuchs. Aber man muss tief graben, um auf die Geschichte zu stoßen. Noch ist im Herzen der Stadt eine Leerstelle, die bald zu einer der größten Baustellen wird: Petriplatz, Bauakademie, Einheitsdenkmal – und das Schloss. Und es darf wohl ein Glücksfall genannt werden, dass Regula Lüscher ein Konzept für den Umgang mit der Historie im Gepäck hatte, als sie von Zürich nach Berlin kam: „Architektonische Fenster“, schlägt die Senatsbaudirektorin vor, werden Einblicke in die Baugeschichte geben, im Schloss auf die freigelegten Fundamente der 1950/51 gesprengten Ruine etwa. Von dort könnte eine architektonische Promenade durch die „Altstadt“ führen.Wenn das Schloss steht, wäre Berlin nicht nur um einen Solitär reicher, sondern auch um mehrere historische Schaustellen: in Szene gesetzte Spuren.

Der Preis für deren Erhaltung, unken Experten, werde das 550 Millionen Euro große Schloss-Budget sprengen. Grübener kontert: „Der Kostenrahmen ist verbindlich“. Die Termine für die Fertigstellung des Schlosses auch. Gelassen sagt das der verbindliche Mann – kann er wirklich ruhig schlafen? „Es ist nicht das erste große Bauprojekt des Bundesamtes und nicht das größte“ sagt er. Grübener selbst begleitete die Erweiterung des Deutschen Historischen Museums nach Plänen von I.M. Pei. Und die 60 Männer und Frauen, die er ausgewählt hat, sind Profis aus den besten Büros des Landes.

Ingenieur Franz Stieglmeier zum Beispiel. Er bespricht mit Kollege Christian Henschkel, wie die Fassade aus Sandstein an den Stahlbeton fixiert wird. Das ganze „neue Berlin“ ist ja eigentlich Kulisse: dünne Steinkleider, die Skeletten aus Stahlbeton und einer Haut aus Dämmstoff angelegt wurden. Gemauert werden heute allenfalls Eigenheime im Grünen. „Die Schlossfassade wird keine Steintapete“, sagt Stieglmeier. Die Wände sind 1,20 Meter dick, zwei Drittel davon Stein. Auf den Plänen sind die massiven Quader gut zu erkennen, auch Plastiken sind eingezeichnet. Entschieden ist noch nichts, die Planer rechnen Varianten durch: Fassaden aus mehreren Schichten, „mehrschalig“ sagen sie dazu, oder auch „monolytisch“ massive Fassaden.

Die Büros der Geologen sind verschlossen. „Die sind meistens auf der Baustelle“, sagt Grübener. Dort nehmen sie Bodenproben, um die Beschaffenheit des Baugrundes zu prüfen. Mit den Daten können die Statiker später Zahl, Umfang und Steifigkeit von Pfeilern und Streben berechnen, die das Schloss tragen. Zwei Männer und eine Frau, ganz in Schwarz gekleidet, gehen vorbei, grüßen – Architekten auf dem Weg zum Besprechungsraum. Auf dem Weg zu Franco Stella?

Der Baumeister des Schlosses arbeitet eine Etage höher. Besuche und Interviews lehnt er seit dem Streit um die Rechtmäßigkeit der Auftragsvergabe ab. Der Weg zu seinem Büro führt durch einen Konferenzraum. Ein Dutzend Planer – sie kommen aus Dresden, Rostock, Hamburg – koordinieren mit dem Projektleiter Ablauf und Termine der Bauarbeiten.

Den Kern des Planungshauses bildet ein Großraum, in dem Computertische in Reihen angeordnet sind. Sieben Planer sitzen vor Bildschirmen und arbeiten an Details: Fassaden und Kolonnaden, das Spiel von Licht und Schatten, Proportionen werden hier entwickelt und errechnet. Einer blättert in einem Buch zur Baugeschichte. Der Siegerentwurf des Wettbewerbs, den der venezianische Hochschullehrer Stella entwarf, gibt das Ziel vor. Der Weg dahin wird noch gesucht, hier, von den Planern der Architekturfabrik Hilmer, Sattler und Albrecht. „Herr Stella ist weg, aber er kommt wieder, später, ganz sicher“, sagt einer.

Im anderen Zentrum Berlins, unweit der Gedächtniskirche, sitzt die Schlüsselfigur des Schlossprojektes: Bauherr Manfred Rettig. Als Stiftungsvorstand vertritt er die Bundesregierung, die den Parlamentsbeschluss zum Bau des Schlosses umsetzt. Rettig verwirklicht damit gleichsam den Willen des Volkes, der irgendwo in der Schnittmenge der Meinungen im Stiftungsrat vermutet wird: Im Rat sitzen Bundestagsabgeordnete wie Wolfgang Thierse (SPD), Regierungsmitglieder wie Hans-Joachim Otto (FDP), Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz, Hermann Parzinger von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Landeszentralbibliothek-Chefin Claudia Lux und HU–Präsident Christoph Markschies, die ja die Räume im Schloss nutzen werden.

Wie fühlt sich einer, der von einem Dutzend der einflussreichsten Persönlichkeiten Deutschlands abhängig ist – und eines der ersten Bauernopfer sein wird, wenn die Jahrhundertbaustelle zu spät oder zu teuer fertig wird? „Gut – das bin ich gewohnt“, sagt Rettig. Der Aufsichtsrat der Bundesbaugesellschaft, dessen Chef er war, sei ähnlich besetzt gewesen. Dem Ältestenrat des Bundestages habe er Rede und Antwort stehen müssen. Nur habe er damals „mehrere Projekte gehabt – und jetzt nur noch eins“. Damals, in den 90er Jahren, organisierte er mit Klaus Töpfer den Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin. Nun also das Schloss. Auch dieses Projekt sei ähnlich umstritten wie seinerzeit der Umzug. Rettig ficht es nicht an, er nennt das Schloss „Zukunftsprojekt“, spricht von einem „Meilenstein“, von einer Referenz, mit der sich Deutschland als „Bildungsnation“ in Europa etablieren könne. Das Schloss sei einer der Bausteine, um Berlin zur Weltstadt werden zu lassen.

Liegt die Zukunft wirklich hinter drei Fassaden einer Barock-Mimikry? „Das Schloss knüpft an die Baugeschichte an, ohne sie zu negieren, aber es transformiert sie auch“, sagt Rettig. Eine bauliche, vor allem aber eine inhaltliche Transformation: Eine internationale Begegnungsstätte könne da entstehen, dem „Miteinander der Kulturen“ gewidmet. In der Agora könnten multikulturelle Feste gefeiert werden, ähnlich wie in Paris auf dem Platz der Großsiedlung „La Défense“. Und mit Ausstellungen könne das Schloss, ähnlich wie das Museum am „Quai Branly“, das ethnisch Fremde, das „Andere“ heimisch machen. So wie es in den Straßen von Berlin selbstverständlich ist, wenn man wie Rettig in Kreuzberg lebt, in der Mariannenstraße: Wo der türkische Friseur morgens grüßt und Menschen aus verschiedenen Kreisen und Kulturen friedlich zusammenleben.

Auf diese Vielfalt und Offenheit ziele das Schloss-Projekt, das dann zusammen mit der Museumsinsel auch zu einem Wirtschaftsfaktor für die Stadt werde: „Es gibt eine Szene, die weltweit auf Wanderschaft von Kulturbau zu Kulturbau ist, und ihr Jahresprogramm nach den darin stattfindenden Veranstaltungen zusammenstellt“, sagt der Stiftungschef. Deren Mitglieder kämen an Berlin nicht mehr vorbei – wenn das Schloss erst steht.

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