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Berlin: Die Schulpflicht ruft – doch keiner will Schläger Sawis haben Vermutlich erhält der 16-jährige Serientäter Einzelunterricht

Den Tatort Schule behält die Polizei unter Beobachtung

Sawis hätte an den Kunst-Plakaten mit den bunten Buchstaben vorbeigehen müssen, auf dem Weg zum Schulhof oder ins Klassenzimmer. „Seele, Talent, Lebensraum“, steht auf einem. „Leistung, Erfolg, Berufswahl“, auf einem anderen. Doch der 16-Jährige, der am Vortag verurteilt worden war, erschien nicht an der Leistikow-Schule in Zehlendorf. „Der kommt nicht mehr“, sagen die drei Jungen, Klassenkameraden von Sawis, die über den leeren Flur trödeln. „Der hat doch Bewährung bekommen“, winkt ein 15-Jähriger mit Basecap ab.

Es hat sich auf dem Schulhof schnell herumgesprochen. Dass Sawis am Dienstag im Kriminalgericht Moabit verurteilt wurde, zu 20 Monaten Haft auf Bewährung, Freizeitarbeit und Anti-Gewalt-Seminaren. Weil der 16–Jährige auf dem Schulhof einer Tempelhofer Schule fünf Lehrer niedergeschlug und in einer Kneipe zusammen mit seinem Vater einen Jugendlichen verprügelte. Auch in seiner eigenen Schule hat Sawis einen Lehrer angegriffen, als dieser ihn bat, den Weg frei zu machen. Die Jungs im Gang zucken mit der Schulter. „Sawis ist eigentlich ganz in Ordnung“, sagt einer. Sein Kumpel grinst. „Aber wenn er jemand nicht mochte, dann hat er’s ihm deutlich gezeigt.“

Jetzt mögen sie ihn nicht mehr, die Lehrer der Leistikow-Schule, und auch sonst dürfte sich in Berlin keine Lehranstalt um den Schläger reißen, der der Polizei bereits mehr als 60 Mal aufgefallen ist. Aber, es hilft nichts, bis zu den Sommerferien gilt auch für Sawis die Schulpflicht. „Nächste Woche wird es ein Treffen geben, wo nach einer Lösung gesucht wird“, sagt Thomas John, Sprecher der Schulverwaltung. Mit dabei: ein Psychologe, die Jugendgerichtshilfe, das Jugendamt, die Schulaufsicht und Sawis mit seinen Eltern. Mit ihnen hatte man sich bereits beraten. „Da haben sie sich sehr kooperativ gezeigt“, sagt John. Vermutlich wird Sawis bis Juli Einzelunterricht erhalten.

Zurück zum Tatort. Nina, Marco, Anna – so wollen sie sich nennen, die drei Achtklässler, die auf dem Schulhof der Gustav-Heinemann-Oberschule in Marienfelde im Schatten sitzen. Über Sawis erzählen die Drei gern, aber mit echtem Namen in der Zeitung? Besser nicht. „Ich habe schon ein bisschen Angst, dass er wiederkommt“, sagt Marco.

Es war am Morgen des 3. April, als Sawis auf den Schulhof stürmte, um seine Freundin Irene „zu rächen“. Eine Mitschülerin soll das Mädchen aus der achten Klasse als „Schlampe“ beleidigt haben. Einen Lehrer nach dem anderen schaltete Sawis per Kopfstoß und Fausthieb aus – vor den Augen von 1000 Schülern. Im Englischunterricht hat Schulleiter Karl Pentzliehn heute mit der Klasse über das Urteil diskutiert, sonderlich kontrovers scheint es nicht zugegangen zu sein. Anna: „Viel zu lasch.“ Marco: „Der wirkt viel älter als 16.“ Nina: „Damit hört die Schlägerei doch nicht auf.“

Kein Abschluss, vorbestraft, berühmt-berüchtigt in der ganzen Stadt – man braucht keine Kristallkugel, um sich Sawis’ Chancen auf dem Arbeitsmarkt auszumalen. Schulverwaltungssprecher John: „Das wird beim Treffen die große Frage sein: Wie geht’s weiter?“ In der Gustav-Heinemann-Schule jedenfalls will sich die Normalität nur zögerlich wieder einstellen. Die Polizei schaut mit einer Streife jetzt öfter am Tag vorbei. Sicherheitshalber, so erzählen es die Schüler, schließlich habe Sawis den Direktor vor der Festnahme bespuckt und bedroht: „Ich stech’ dich ab! Ich schlag’ all eure Autos kaputt!“

Irene, die Freundin des Schlägers, saß einst mit Nina, Marco und Anna in einem Klassenzimmer. Doch vor etwa einer Woche hat die Schule Irene suspendiert, von der Schule verwiesen. Nina und Anna vermissen ihre Freundin, sorgen sich um ihre Zukunft. Marco nicht, er kannte sie kaum. „Uns Jungs durfte sie ja nicht mal Hallo sagen.“ Bitte? „Das hatte ihr Sawis verboten.“

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